Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
Übermittlung
einer Kündigung per Einwurfeinschreiben – das kann böse ins
Auge gehen!
Die
Frage des Beweises des Zugangs einer arbeitgeberseits
ausgesprochenen Kündigung stellt in der arbeitsrechtlichen Praxis
immer wieder eine zentrale Herausforderung dar. Dies gilt
insbesondere, wenn dem Arbeitnehmer die Kündigung per
Einwurfeinschreiben übermittelt wird. Im Mittelpunkt einer
aktuellen Entscheidung des BAG steht die Frage, ob und unter
welchen Voraussetzungen bei einer Zustellung einer Kündigung per
Einwurfeinschreiben zugunsten des kündigenden Arbeitgebers ein
Anscheinsbeweis für den Zugang bestehen kann (Urt. v. 30.01.2025
– 2 AZR 68/24).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Der
beklagte Arbeitgeber kündigte das mit der Arbeitnehmerin
bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.07.2022
außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die gegen die Wirksamkeit
der Kündigung klagende Arbeitnehmerin bestritt den Zugang des
Kündigungsschreibens.
Der
Arbeitgeber ist der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis mit
Zugang des Schreibens vom 26.07.2022 beendet worden sei. Die
Klägerin habe diese Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4
S. 1 KSchG angegriffen. In diesem Zusammenhang trug der
Arbeitgeber vor, dass zwei seiner Mitarbeiterinnen (X und Y) das
Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag
einkuvertiert hätten. Danach habe Frau X den Umschlag zur Post
gebracht und dort am 26.07.2022 um 15:35 Uhr als
Einwurfeinschreiben persönlich aufgegeben. Ausweislich des im
Internet abrufbaren Sendungsstatus sei das Schreiben mit der
entsprechenden Sendungsnummer der Klägerin am 28.07.2022
zugestellt worden. Insoweit bestehe ein Anscheinsbeweis, der durch
das pauschale Bestreiten der Klägerin nicht erschüttert werde,
auch wenn sie – die Beklagte – wegen des zwischenzeitlichen
Ablaufs der Frist, innerhalb derer die Deutsche Post AG die Kopie
eines Auslieferungsbelegs erteilt, einen solchen nicht (mehr)
vorlegen könne.
Das
BAG wies die Revision des Arbeitgebers ab. Die Kündigung vom
26.07.2022 gelte nicht als von Anfang an rechtswirksam, da die
Frist des § 4 S. 1 KSchG erst ab Zugang der schriftlichen
Kündigung zu laufen beginne. Entscheidendes Kriterium für die
Unwirksamkeit der Kündigung sei, dass der Zugang des
Kündigungsschreibens bei der Klägerin nicht bewiesen worden sei.
Die Beklagte sei insofern beweisfällig geblieben; sie könne für
den behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens keinen
tauglichen Beweis anbieten. Ein Zeuge, der den Einwurf vorgenommen
haben wolle, sei nicht benannt worden.
Auch
ein Anscheinsbeweis, der zugunsten der Beklagten für einen Zugang
streiten könne, liege nach Auffassung des BAG nicht vor. Zwar
könne nach der Rechtsprechung des BGH ein Anscheinsbeweis für
den Zugang eines Einwurfeinschreibens angenommen werden, wenn das
Zustellverfahren bestimmten Anforderungen genüge. Der BGH habe
angenommen, dass der Anscheinsbeweis dann geführt werden könne,
wenn die Postzustellung nach einem standardisierten Verfahren
erfolge. In dem Fall sei ein sog. „Peel-off-Label“ unmittelbar
vor dem Einwurf abgezogen und auf einen Auslieferungsbeleg geklebt
worden, auf dem der Postangestellte die Zustellung nach dem
Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe bestätige
(Urt. v. 11.05.2023 – V ZR 203/22; Urt. v. 27.09.2016 – II ZR
299/15). Voraussetzung für die Annahme eines Anscheinsbeweises
sei laut BGH (...)
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