Dr.
Alexander Bissels
Der
Koalitionsvertrag 2025 zur Zeitarbeit und zum Arbeitsrecht –
mehr Rot denn Schwarz!
Am
09.04.2025 wurde der Koalitionsvertrag von Union und SPD
präsentiert. Dieser skizziert das politische Rahmenprogramm für
die Pläne einer Schwarz-Roten- Koalition. Und was steht mit Blick
auf die Zeitarbeit und das Arbeitsrecht nun Wesentliches in dem
Dokument? Die entsprechenden Vorhaben werden nachfolgend kompakt
für Sie zusammengefasst, eingeordnet und bewertet.
I.
Zur Zeitarbeit
Schon
nach den Sondierungen konnte man erahnen, dass die
Arbeitnehmerüberlassung keine wesentliche Rolle in den
Koalitionsverhandlungen spielen wird. Das Ergebnis, das nun
Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, ist als
ernüchternd zu bezeichnen. Warum?
-
Stichwort Fachkräftezuwanderung: Die Sicherung der
Fachkräftebasis ist ein entscheidender Faktor für den
wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Deshalb ziehen wir alle
Register, damit Fachkräftesicherung in den nächsten Jahren
gelingt. […] Ergänzend braucht Deutschland qualifizierte
Einwanderung. Die Demografie, gerade in den neuen Bundesländern,
stellt den Arbeitsmarkt vor besonders große Herausforderungen.
Gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und den Sozialpartnern werden
wir sachgerechte Instrumente zur Unterstützung schaffen.
Das
Ergebnis enttäuscht. Kein Wort davon, dass die Zeitarbeit für
ausländische Arbeits- und Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland
geöffnet wird – eine entsprechende Forderung der Union in den
Koalitionsverhandlungen, die sich im nicht geeinten Entwurf des
Koalitionsvertrages wiedergefunden hat, hat dann doch nicht den
Weg in die finale Fassung gefunden. Dies ist ernüchternd,
bedeutet jedoch nicht, dass diese Frage in der laufenden
Legislatur nicht doch wieder ein Thema werden wird. Davon ist
auszugehen, allerdings hätte eine Manifestation dieser Absicht im
Koalitionsvertrag einer entsprechenden Öffnung zumindest
Rückenwind gegeben.
Viel
wird nun davon abhängen, ob die SPD im Rahmen der anstehenden
Gesetzesreformen über ihren Schatten springt und diejenigen „ranlässt“,
die in der Vergangenheit schon immer wieder bewiesen haben, dass
sie es können: im Ausland zu rekrutieren und entsprechende
Fachkräfte im Inland in Lohn und Brot zu bringen. Dazu eignet
sich die Zeitarbeit – dies ist unbestreitbar, nur scheinbar
schwirren immer noch Vorbehalte im Kopf einiger Politiker, die die
Arbeitnehmerüberlassung – völlig grundlos – als prekäre
Arbeitsform bezeichnen. Hier gilt es nun, u.a. über den GVP, den
Kurs fortzusetzen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Steter
Tropfen höhlt den Stein – die Öffnung wird kommen. Es ist nur
eine Frage der Zeit.
-
Stichwort Gesundheitsberufe: Wir erwirken geeignete
Maßnahmen zur Reduktion der Unterschiede zwischen
Leiharbeitnehmern und der Stammbelegschaft. Mehrkosten zur
Schaffung von Springerpools sowie entsprechende Vergütungen für
das Personal werden ausgeglichen.
Die
Aussagen zur Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere mit Blick auf
den Einsatz von Zeitarbeitnehmern in der Pflege, sind mehr als
überraschend und nicht nachvollziehbar. Dem Kommentar von Florian
Swyter (Hauptgeschäftsführer des GVP) ist nichts hinzuzufügen
(abrufbar unter: https://personaldienstleister.
de/koalitionsvertragein- bisschen-licht-aber-auch-reichlich-
schatten/):
„Erstens
ist die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie längst vorüber.
Zweitens ist die Quote der Zeitarbeit in der Pflege rückläufig
und liegt nur noch bei 1,6 Prozent. Es handelt sich also nicht um
ein Massenphänomen, das gesetzgeberische Eingriffe nötig machen
würde. Drittens wäre es inakzeptabel, dass der Gesetzgeber
bessere Arbeitsbedingungen, wie sie die Zeitarbeit z.B. bei der
Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet, untersagen will.“
Wie
von Schwarz-Rot angekündigte „geeignete Maßnahmen“
aussehen sollen bzw. ausgestaltet werden könnten, verrät der
Koalitionsvertrag nicht. Es dürfte – auch mit Blick auf
verfassungsrechtliche Erwägungen – schwierig werden, Zeitarbeit
im Gesundheitsbereich gesetzlich einzuschränken oder gar zu
verbieten. Bei den Kunden könnte leichter angesetzt werden,
insbesondere mit Blick auf eine Erstattung der Kosten für den
Einsatz von Zeitarbeitnehmern. Eine „black box“. Fest steht
aber, dass die Arbeitnehmerüberlassung im Gesundheitsbereich
(erneut) auf dem Radar des Gesetzgebers erscheinen dürfte –
grundsätzlich keine wirklich rosigen Aussichten, nachdem es in
den letzten Jahren doch einigermaßen ruhig in diesem Bereich
geblieben ist.
II.
Zum Arbeitsrecht im Übrigen
Und
welche Regelungen zum Arbeitsrecht haben es in den
Koalitionsvertrag geschafft?
-
Gute Löhne sind eine Voraussetzung für die Akzeptanz der
Sozialen Marktwirtschaft. Der gesetzliche Mindestlohn ist dabei
die Untergrenze. Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn. Die
Entwicklung des Mindestlohns muss einen Beitrag zu stärkerer
Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland
leisten. An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission
halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns
wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer
Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60
Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten
orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im
Jahr 2026 erreichbar.
Ein
gesetzlicher Mindestlohn von 15,00 EUR ist ein Kernanliegen der
SPD – immerhin: dieser soll nicht gesetzlich, sondern durch die
Mindestlohnkommission festgelegt werden (so dürfte der
Koalitionsvertrag zumindest zu verstehen sein), die sich dabei
aber als Kriterium (auch) an 60% des Bruttomedianlohns von
Vollzeitbeschäftigten orientieren soll. In diesem Sinne dürften
die 15,00 EUR (fast) gesetzt sein – und damit verbunden der
Druck, in Tarifverträgen den Lohnabstand zwischen bisherigen
tariflichen Entgelten und dem gesetzlichen Mindestlohn "zu
halten".
Dieser
Aspekt ist insbesondere für die Zeitarbeit von erheblicher
Bedeutung, deren tarifliches Entgeltgefüge (EG 1 mit 14,53 EUR
seit dem 01.03.2025) bereits weit über dem gesetzlichen
Mindestlohn (gegenwärtig: 12,83 EUR) liegt. Jüngst sind die
Entgelttarifverträge von der DGB-Tarifgemeinschaft zum 30.09.2025
gekündigt worden. Die Gewerkschaften zeigen sich bereits
kämpferisch. ver.di lässt wörtlich verlautbaren:
„Jetzt
geht es darum, unsere berechtigten Forderungen für ein höheres
Entgelt konkret zu machen. Dazu laufen die internen Abstimmungen
in den acht DGB-Gewerkschaften an. […] Ab dann [Anm.: gemeint
ist der 30.09.2025] müssen die Entgelte erhöht werden! Denn:
Mieten steigen, Lebensmittel und vieles mehr werden immer teurer.“
Frage
ist, wer das alles bezahlen soll? Dies gilt erst recht, wenn der
gesetzliche Mindestlohn auf 15,00 EUR „hochgezogen“ wird. Für
die DGB-Gewerkschaften sicherlich ein willkommener Anlass, dass
der Schluck aus der tariflichen Pulle noch ein bisschen größer
ausfallen dürfte.
-
[Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer
gleichberechtigt und respektvoll miteinander leben – im Beruf,
in der Familie und in der Politik. Wir wollen gleichen Lohn für
gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030 verwirklichen.
Dazu werden wir die EU-Transparenzrichtlinie bürokratiearm in
nationales Recht umsetzen. Wir werden eine Kommission einsetzen,
die bis Ende 2025 da-zu Vorschläge macht. Ein entsprechendes
Gesetzgebungs- verfahren soll dann unverzüglich eingeleitet
werden.
Die
Gleichberechtigung ist gut und wichtig. Dies gilt auch bei der
Vergütung und deren Höhe. Die Umsetzung der
EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist ein wesentlicher Baustein zur
Erreichung dieses Ziels. Wichtig ist, dass dies tatsächlich ohne
erhebliche Bürokratie gelingt. Auf die Vorschläge von Schwarz-
Rot darf man gespannt sein. Auch tarifliche Entgeltgefüge
dürften dabei auf dem Prüfstand stehen. Diese dürften nicht
privilegiert werden. Vor diesem Hintergrund kann sich die
gesetzliche Umset-zung der Richtlinie auch auf
Zeitarbeitsunternehmen auswirken, die das Tarifwerk BAP/DGB bzw.
iGZ/DGB anwenden.
-
Erhöhung der Tarifbindung durch ein Bundestariftreuegesetz.
Dies
war absehbar: Vergaben von bis zu 50.000,00 EUR und bei Startups
"mit innovativen Leistungen" (was immer das auch heißen
mag!) innerhalb der ersten vier Jahre ab der Gründung von bis zu
100.000,00 EUR sind ausgenommen.
Diese
Einschränkungen sind ein Achtungserfolg für die Union, die eine
Erhöhung dieses Schwellenwertes auf 250.000,00 EUR verlangt hat,
aber mehr auch nicht.
-
Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer werktäglichen
Höchstarbeitszeit.
Ein
richtiger Schritt, jedoch fragt sich, ob eine solche Änderung in
der Praxis flächendeckend ankommen wird. Zur konkreten
Ausgestaltung soll nämlich ein "Dialog mit den
Sozialpartnern" durchgeführt werden. Dahinter dürfte sich
die SPD-seitige Forderung nach einem Tarifvorbehalt verbergen, nur
"schöner" verpackt. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber
könnten dann keine Wochenhöchstarbeitszeit mit den Arbeitnehmern
vereinbaren.
Für
die Zeitarbeit mit einer hohen Tarifbindung hätte diese Änderung
zunächst keine Auswirkungen. Ein „Switch“ von einer Tages-
auf eine Wochenhöchstarbeitszeit ließe sich so oder so nur mit
der DGB-Tarifgemeinschaft vereinbaren; dies gilt natürlich nur
für Zeitarbeitsunternehmen, die das Tarifwerk BAP/DGB bzw.
iGZ/DGB anwenden.
-
Eine Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeit soll
kommen.
Das
ist wohl der Preis, den die Union an die SPD für die
Wochenhöchstarbeitszeit zahlen musste.
Immerhin:
für KMU sollen angemessene Übergangszeiten geschaffen werden.
Eine Vertrauensarbeitszeit soll ohne Zeiterfassung möglich
[…]
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