Dr.
Alexander Bissels
Bundestagswahl
2025: Ein Blick in die Wahlprogramme – und was dort zum
Arbeitsrecht und zur Zeitarbeit zu lesen ist!
Bekanntermaßen
steht die Bundestagswahl vor der Tür. Vor diesem Hintergrund
dürfte sich ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien (mit
Chancen auf eine Regierungsverantwortung) lohnen, um zu
analysieren, was diese mit Blick auf das Arbeitsrecht und
insbesondere hinsichtlich der Zeitarbeit vorhaben (oder auch nicht
vorhaben). Die nachfolgende Darstellung (mit einer kurzen
Bewertung) erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern
beschränkt sich auf die – nach dem Dafürhalten des Verfassers
– wichtigsten Aspekte.
Hinweis:
Die nachfolgende Analyse bezieht sich teilweise noch auf die
bislang veröffentlichten Entwürfe der Wahl- bzw.
Regierungsprogramme. Inhaltliche Änderungen bis zur
Bundestagswahl sind nicht ausgeschlossen. Eine Übersicht zum
Bearbeitungsstand der Programme finden Sie unter dem nachfolgenden
Link; dort sind diese auch im Volltext abrufbar (s. https://www.bundestagswahlbw.
de/bundestagswahl-wahlprogramme).
1.
CDU/CSU
Im
Wahlprogramm der Union finden sich in diesem Zusammenhang u.a.
folgende politischen Vorhaben:
-
"Wir reformieren das ArbZG und legen für alle Unternehmen
anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit
[...] fest."
Richtiger
Ansatz, das ArbZG ist nicht mehr zeitgemäß und muss endlich
flexibilisiert werden! Diese Idee hat im Übrigen auch die FPD.
Match!
-
"Wir gestalten die Vorgaben für mobile Arbeitsplätze
praxisnäher. Gleichzeitig stellen wir klar, dass mobiles Arbeiten
an frei gewählten Orten nicht in den Anwendungsbereich der
Arbeitsstättenverordnung fällt. Auch für das Homeoffice
schaffen wir Rechtssicherheit und fördern damit mobile
Arbeitsformen: Sofern freiwillig gewählt, definieren wir es
unabhängig vom zeitlichen Umfang als einen Unterfall des mobilen
Arbeitens.
Wie
das mobile Arbeit "praxisnäher" gestaltet werden soll,
bleibt offen. Einen arbeitnehmerseitigen Anspruch auf mobiles
Arbeiten solle es wohl nicht geben; vielmehr dürften
arbeitsschutzrechtliche Aspekte im Vordergrund stehen, die
geregelt werden sollen.
-
"Personalpartnerschaften erleichtern [...]. So können sich
zwei Unternehmen im Rahmen einer Kooperation freie
Personalkapazitäten mit Zustimmung der Betriebsräte
untereinander zur Verfügung stellen."
ACHTUNG:
die Zeitarbeitsrichtlinie dürfte diesem Plan, je nach
Ausgestaltung, (enge) Grenzen setzen.
-
"Vorbeschäftigungsverbot nach dem Erreichen der
Regelaltersgrenze abschaffen. […]"
Richtiger
Ansatz, insbesondere wenn gleichzeitig geklärt wird, dass
Änderungen der Arbeitsbedingungen zulässig sind (z.B. Reduktion
der Arbeitszeit).
-
"Wir stellen alle noch bestehenden arbeitsrechtlichen
Erfordernisse der Niederschrift auf Papier [...] auf den
Prüfstand. [...]."
Richtig
– es wird Zeit, dass bei der Schriftform im Arbeitsrecht richtig
entrümpelt wird.
-
"Wir wollen bei den Arbeitszeiterfassungsystemen
größtmögliche Wahlfreiheit geben [...]. Vertrauensarbeitszeiten
[...] sollen [...] weiterhin möglich sein."
Die
(gesetzliche) Arbeitszeiterfassung soll kommen, aber flexibel soll
es sein – richtig so. Interessanterweise war diese Forderung nur
im Entwurf des Wahlprogramms vorgesehen; in der inzwischen
verabschiedeten Version ist diese nicht mehr enthalten.
-
"Rechtssicherheit schaffen, Scheinselbständigkeit
verhindern. Wir passen das Statusfeststellungsverfahren i.S.d.
Selbständigen und Unternehmen an."
Richtig
so, wie das geschehen soll bleibt aber ein Geheimnis – das Thema
steht seit Jahren auf der Agenda. Es bleibt zu hoffen, dass die
Union endlich ernst macht.
-
"Wir ermöglichen Online- Betriebsratssitzungen [...].
Zusätzlich soll die Option, online zu wählen, im BetrVG
verankert werden."
Guter
Ansatz – die Digitalisierung muss endlich in der
Betriebsverfassung ankommen.
-
"Wir [...] erwarten eine einvernehmliche Entscheidungsfindung
in der unabhängigen Mindestlohnkommission. Wir wollen keine
Mindestlohnentscheidung im Deutschen Bundestag."
Das
ist gut so – die Höhe des Mindestlohns gehört in die Hände
der dafür geschaffenen (unabhängigen) Kommission.
2.
SPD
Im
Wahlprogramm der SPD sind in diesem Zusammenhang u.a. die
folgenden politischen Vorhaben zu nennen:
-
"Sozialdemokratische Arbeitsmarktpolitik setzt dabei [...] in
schwierigen Phasen auf Arbeitsplatzerhalt, z.B. durch gute
Regelungen für Kurzarbeit."
Die
Pläne werden jetzt schon Realität, nämlich durch die
Verlängerung der KUG-Bezugsdauer, die von Herrn Heil angeschoben
worden und mit Wirkung zum 01.01.2025 bereits in Kraft getreten
ist (Verlängerung auf 24 Monate). Ob damit der Weg zum
notwendigen Strukturwandel geebnet wird, darf bezweifelt werden.
Vielmehr dürfte dieser nur mit viel Steuergeld auf-, aber nicht
angeschoben werden.
-
"Wir reformieren das BetrVG und werden die Mitbestimmung der
Betriebsräte bei strategischer Personalplanung und -bemessung,
bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz, sowie bei
Gesundheitsschutz sowie Weiterbildung im Betrieb zu echten
Mitbestimmungsrechten mit Einigungserfordernis
ausbauen."
Ob
die Wirtschaft wirklich weitere echte Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrates benötigt, darf mit einem Fragezeichen versehen
werden.
-
"Wir werden sachgrundlose Befristungen [...] abschaffen und
die Sachgründe für Befristungen kritisch überprüfen."
Statt
einer Deregulierung sollen die Zügel bei Befristungen angezogen
werden – meines Erachtens grundsätzlich keine gute Idee, wenn
man sich den hohen Standard beim Kündigungsschutz und die dem
Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Flexibilisierungsinstrumente
ansieht, die noch weiter verengt werden sollen. Sollten
Befristungen tatsächlich abgeschafft werden, könnte sich dies
jedoch als "Booster" für die Zeitarbeit erweisen, um
Arbeitgebern eine Flexibilität bei der Steuerung des
Beschäftigungsbedarfs zu erhalten.
-
"Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns muss sich an den
Empfehlungen der europäischen Richtlinie orientieren. [...]
Dementsprechend muss der Mindestlohn spätestens ab 2026 bei 15
EUR liegen."
Diese
"Forderung" hat sich angekündigt – ein politisch
festgelegter Mindestlohn. Wer bietet mehr? Und wo bleibt die
Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission?
-
"Wir werden die Tarifbindung deutlich erhöhen. [...] Wir
werden mit einem Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass
öffentliche Aufträge des Bundes nur an Unternehmen gehen, die
ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. [...] Wir werden die
Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern
[...]."
Klassiker
bei den SPD-Forderungen, die schon die letzten Legislaturperioden
beherrschten – das Tariftreuegesetz wurde in der Ampel
diskutiert, hat es aber nicht über die Ziellinie geschafft.
-
"Die Sozialdemokratie erteilt allen Versuchen, das
Streikrecht einzuschränken, eine klare Absage."
Wenig
verwunderlich, der nächste Bahnstreik kann kommen!
-
"Wir wollen [...] die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bis
2026 in nationales Recht umsetzen."
Das
muss jede neue Regierung machen. Die Frage ist nur wie – das
bleibt nach dem Programm der SPD offen.
3.
Bündnis 90/Die Grünen
Im
Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen finden sich in diesem
Zusammenhang u.a. folgende politischen Vorhaben:
-
"Um die Inflation der letzten Jahre auszugleichen, braucht es
jetzt einen Mindestlohn von zunächst 15 Euro in 2025, der auch
für unter 18-Jährige gilt."
Match
– bei der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns ist man sich mit
der SPD einig. Unterschiede gibt es noch beim Zeitpunkt.
-
"Und es braucht eine stärkere Tarifbindung. [...] Deshalb
wollen wir deren Allgemeinverbindlichkeitserklärung erleichtern.
Durch ein Tariftreuegesetz werden wir öffentliche Aufträge des
Bundes in der Regel an Unternehmen vergeben, die nach Tarif
bezahlen."
Auch
in diesem Zusammenhang sind sich die Bündnisgrünen und die SPD
offensichtlich einig. Ein Tariftreuegesetz soll her.
-
"Die betriebliche Mitbestimmung ist gelebte Demokratie. Sie
macht die Beschäftigten zu aktiven Akteuren bei der Gestaltung
ihrer Arbeitswelt. [...] Die betriebliche Mitbestimmung werden wir
daher stärken und auf Mitbestimmungsrechte in Sachen Klima- und
Umweltschutz, Qualifizierungsmaßnahmen [...] erweitern."
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