Rechtsanwalt
| Partner – CMS Hasche Sigle / Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr.
Alexander Bissels
Hat
das Jahr 2024 Ihre Erwartungen erfüllt?
Das
Jahr 2024 kann für die Zeitarbeitsbranche – im Gegensatz zu den
allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Rahmenumstände –
mit Blick auf die Rechtsprechung zumindest aus Sicht eines
Arbeitsrechtlers glücklicherweise als eher ruhig charakterisiert
werden. Dennoch kann das Jahr 2024 nicht als
"ereignisarm" bezeichnet werden – dies gilt
insbesondere hinsichtlich der gesetzgeberischen Aktivitäten, die
für die Zeitarbeit gesamtbetrachtend durchaus als positiv zu
bezeichnen sind.
I.
Aktivitäten des Gesetzgebers
Hervorzuheben
sind dabei insbesondere die Anpassungen des AÜG durch das BEG IV.
Zwar war der Weg steinig, der politische Prozess zu einer
Verständigung dürfte als eher zäh wahrgenommen worden sein.
Kurz vor dem "Crash" der Ampel in Berlin, wurde das
Gesetz jedoch noch über die Ziellinie "geschoben". §
12 Abs. 1 S. 1 AÜG, der den Abschluss des
Arbeitnehmerüberlassungsvertrages betrifft und der seit 1972
nicht "angepackt" worden ist, wird inhaltlich geändert
– nach über 50 Jahren. Die strenge Schriftform wird Geschichte
sein. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf zukünftig nur
noch der Textform.
Nach
der Gesetzesbegründung sollen für den Personaldienstleister und
den Kunden der Aufwand und die Kosten reduziert werden. Mit der
Änderung können Überlassungsverträge zukünftig z.B. per
E-Mail abgeschlossen werden. Dies stellt insbesondere für kleine
und mittlere Unternehmen eine deutliche Erleichterung dar
(BT-Drucksache 20/13015, S. 124). Damit kommt der Gesetzgeber –
so heißt es in der Gesetzesbegründung weiter – Wünschen der
Praxis nach. Unangemessene negative Folgen, insbesondere für den
Schutz der Kunden, sind durch den Wegfall des
Schriftformerfordernisses und dessen Warn- und Beweisfunktion
nicht zu erwarten. § 126b BGB bestimmt, dass – wenn die
Textform durch Gesetz vorgeschrieben ist – eine lesbare
Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf
einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Dadurch,
dass der Inhalt des Überlassungsvertrags bei der Abfassung in
Textform dauerhaft in Schriftzeichen wiedergegeben werden kann,
wird dem Schutzbedürfnis der Kunden vor unseriösen
Personaldienstleistern sowie dem Arbeitsschutz ausreichend
Rechnung getragen (BT-Drucksache 20/13015, S. 124).
Grundsätzlich
stehen damit die moderne Kommunikationsformen bereit, um
zukünftig formgerecht – ohne "wet ink" – den
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abzuschließen. Doch bei aller
Freude sollten folgende Aspekte beachtet werden:
-
Es sollte klargestellt und festgelegt werden, wer zukünftig
berechtigt sein soll, für das Zeitarbeitsunternehmen bei dem
Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages aufzutreten und
entsprechende Erklärungen abzugeben bzw. zu empfangen. Ein
Berechtigungskonzept ist zwingende Voraussetzung dafür, dass
nicht "Hinz und Kunz" (nachteilige) Erklärungen für
den Personaldienstleister "rausreichen" können, die
diesen – gerade mit Blick auf die sehr schnell und leicht zu
überspringende Hürde bei der Textform – binden.
-
Es sollte ein Prozess festgelegt werden, den es bei dem Abschluss
eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages einzuhalten gilt. Selbst
wenn dieser per E-Mail geschlossen werden kann, dürfte es nicht
angezeigt sein, den gesamten Text des Vertrages in die E-Mail zu
kopieren und an den Kunden zu versenden, der seinerseits mit
Änderungswünschen in einer E-Mail reagiert, zu denen das
Zeitarbeitsunternehmen Stellung nimmt. Das ist unübersichtlich
– im Nachgang dürfte es mit Schwierigkeiten verbunden sein,
nachzuvollziehen und zu beweisen, wann der
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit welchem Inhalt zu Stande
gekommen ist. Daher: am Ende der Verhandlungen sollte zumindest
ein extrahierbares Vertragsdokument erstellt, dieses mit
(zumindest gescannten) Unterschriften versehen und selbiges
archiviert und an einer (intern) festgelegten Stelle abgelegt
werden. Mit Blick darauf, dass über den Zeitpunkt und den Inhalt
des Vertrages selbst in diesem Fall Streit entstehen kann, dürfte
es sich zudem anbieten, mit einer (fortgeschrittenen) Signatur zu
arbeiten.
-
Es sollten die laufenden (Rahmen-)Arbeitnehmerüberlassungsverträge
im Bestand geprüft und ggf. angepasst werden. Sollte dort – wie
in der Praxis bisher üblich – ein strenges
Schriftformerfordernis vorgesehen worden sein, wird
(...)
|