Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
AGB-rechtliche
Zulässigkeit der Erstattung einer Vermittlungsprovision durch den
Arbeitnehmer nach einer Übernahme?!
Wieder
einmal beschäftigt die Zahlung einer Vermittlungsprovision die
Gerichte. Dieses Mal geht es aber nicht um das Verhältnis von
Personaldienstleister, der einen Kandidaten an den Kunden
vermittelt hat, und Kunde, der dem Personaldienstleister eine
Provision für die "Übernahme" des vermittelten
Arbeitnehmers in ein Arbeitsverhältnis zahlt, sondern um das
Verhältnis zwischen dem vermittelten Arbeitnehmer und dem Kunden,
der mit dem Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis begründet hat.
Dabei ging es um die Erstattung der an den Vermittler bereits
gezahlten Provision durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber,
nachdem das Arbeitsverhältnis durch den Mitarbeiter in der
Probezeit gekündigt wurde. Das LAG Schleswig-Holstein hat einen
Anspruch des (dann vormaligen) Arbeitgebers gegen den (ebenfalls
vormaligen) Arbeitnehmer abgelehnt (Urt. v. 12.05.2022 – 4 Sa
3/22).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Der
Arbeitnehmer hat mit Wirkung zum 01.05.2021 ein Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten begründet. Für die Vermittlung des Klägers
zahlte die Beklagte eine Vermittlungsprovision in Höhe von
4.461,60 EUR an den vermittelnden Personaldienstleister. In dem
geschlossenen Arbeitsvertrag wurde eine sechsmonatige Probezeit
mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen für beide Parteien
vereinbart. Ergänzend wurde geregelt, dass der Arbeitnehmer
verpflichtet ist, der Beklagten die gezahlte Provision zu
erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022
hinaus fortbesteht und aus vom Kläger zu vertretenden Gründen
von ihm selbst, von der Beklagten oder einvernehmlich beendet
wird. Die Klausel lautet dabei wörtlich wie folgt:
"Die
Arbeitgeberin leistet zur Vermittlung des/der Arbeitnehmers/in
eine Vermittlungsprovision in Höhe von insgesamt € 6.695,40 an
eine Drittfirma (C.-Co.) – aufgeteilt zu zwei Dritteln nach
Abschluss des Arbeitsvertrages (€ 4.461,60) und zu einem Drittel
nach Ablauf der Probezeit (€ 2.230,80). Bei dieser Zahlung
handelt es sich um einen Vertrauensvorschuss der Arbeitgeberin auf
die zu erwartende Betriebstreue des/der Arbeitnehmers/ in.
Der/die Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, der Arbeitgeberin
die tatsächlich angefallenen Beträge zu erstatten, wenn das
Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht
und aus vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin zu vertretenden
Gründen vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin selbst, der
Arbeitgeberin oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.
Die
Arbeitgeberin verpflichtet sich ihrerseits, die Zahlung der
Vermittlungsprovision in diesem Fall nachzuweisen. Dem/der
Arbeitnehmer/ in ist seinerseits/ihrerseits der Nachweis
gestattet, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht oder nicht
in der hier angegebenen Höhe bei der Arbeitgeberin entstanden
sind.
Der
Ausgleichsbetrag ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des/der
Arbeitnehmers/in aus dem Arbeitsverhaltnis fallig und kann gegen
pfandbare finanzielle Anspruche des/der Arbeitnehmers/ in
aufgerechnet werden."
Das
Arbeitsverhältnis wurde schließlich von dem Arbeitnehmer
während der Probezeit zum 30.06.2021 gekündigt. Über die
Gründe, die letztlich zur Kündigung führten, besteht zwischen
den Parteien – wenig überraschend – Streit. Die Beklagte
behielt auf Grundlage der getroffenen Regelungen im Arbeitsvertrag
in der Folge wegen der von ihr an den Personaldienstleister
gezahlten Provision 69,21 EUR von der restlichen Vergütung des
Klägers sowie einen abgerechneten Verpflegungszuschuss in Höhe
von 740,00 EUR ein.
Mit
der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung der
ausstehenden Beträge in einer Gesamthöhe von 809,21 EUR. Die
Beklagte hat ihrerseits eine Widerklage erhoben, mit der sie die
Erstattung auch des restlichen Provisionsbetrags in Höhe 3.652,39
EUR gegenüber dem Arbeitnehmer geltend macht.
Das
LAG Schleswig-Holstein hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt und
deren Widerklage abgewiesen. Dabei hat das Gericht wie folgt
argumentiert:
Die
in dem Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung über die Erstattung
halte einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie sei daher unwirksam,
denn sie benachteilige den Kläger entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen. Unangemessen sei jede Beeinträchtigung
eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die
nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des
Arbeitgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile
ausgeglichen werde. Die Feststellung einer unangemessenen
Benachteiligung setze eine wechselseitige Berücksichtigung und
Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner
voraus. Dabei bedürfe es einer umfassenden Würdigung der
beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes
von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit sei
ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster
Maßstab anzulegen. Abzuwägen seien die Interessen des Verwenders
gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten
Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle seien Art und
Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts
zu berücksichtigen.
Die
Beklagte habe an eine Drittfirma aufgrund einer vertraglichen
Vereinbarung mit dieser fur die Vermittlung des Klagers eine
Provision gezahlt. Sie habe daher die Dienste einer
Personalvermittlungsfirma in Anspruch genommen, um ihren Bedarf
nach geeigneten Arbeitskraften zu befriedigen. Die Suche nach und
die Gewinnung geeigneter Arbeitnehmer sei zunachst ureigene
Aufgabe eines Arbeitgebers, wobei dieser sich selbstverstandlich
dazu der Dienstleistungen Dritter bedienen konne. Fielen dabei
aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung . wie hiesig . zwischen
dem Arbeitgeber und der Drittfirma Vermittlungskosten an, bestehe
ein nachvollziehbares Interesse daran, dass sich bei dem
Arbeitgeber diese Vermittlungskosten amortisierten . und zwar in
der Weise, dass der vermittelte Arbeitnehmer, fur den diese Kosten
angefallen seien, jedenfalls dem Arbeitgeber mit seiner
Dienstleistung fur einen bestimmten Zeitraum zur Verfugung stehe.
Wenn ein solcher Arbeitgeber dann . wie die Beklagte . mit einem
vermittelten Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen eine
Erstattungspflicht fur den Fall der Beendigung des
Arbeitsverhaltnisses vereinbare, sei dies grundsatzlich Ausdruck
des anerkennenswerten Interesses, die von ihm fur die Gewinnung
des Arbeitnehmers getatigten Aufwendungen nicht infolge einer
kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses wieder entwertet
zu sehen. Der Klager habe dieses Interesse der Beklagten durch die
Regelung in dem Arbeitsvertrag auch erkennen konnen und habe sich
darauf bewusst eingelassen. Diese diente daher einem grundsatzlich
billigenswerten Interesse des Arbeitgebers, dass sich die von ihm
getatigten Aufwendungen zur Gewinnung des Klagers auch
"amortisierten..
Solche
Erstattungspflichten beeinträchtigten jedoch wiederum
grundsätzlich das rechtlich anerkannte Interesse eines
Arbeitnehmers, in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 GG) nicht eingeschränkt zu werden. Bestimmungen,
die einen Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Erstattung solcher
Aufwendungen verpflichteten, seien generell geeignet, ihn in
seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit zu beschneiden.
Allerdings sei insoweit nicht jede Einschränkung der
Berufswahlfreiheit unangemessen. Insoweit komme es auf begründete
und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers an oder auf
gleichwertige Vorteile, die die Einschränkung der
arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit ausglichen.
Anders
als bei der Ubernahme von Umzugs- und Fortbildungskosten habe der
Klager in der hier zu beurteilenden Konstellation uber das
Erlangen des Arbeitsplatzes hinaus keinen zusatzlichen materiellen
Wert erlangt, so dass sich . wie bei einer Fortbildung . sein
"Marktwert. erhohe bzw. erhohen konne. Bei der Ubernahme von
Umzugskosten entlaste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wiederum
zunachst von einer wirtschaftlichen Belastung, die eigentlich zur
Sphare des Arbeitnehmers gehore. Beide Konstellationen seien nicht
zu vergleichen mit der Verpflichtung eines Arbeitnehmers, im Fall
der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses unter bestimmten
Bedingungen die vom Arbeitgeber an eine Drittfirma gezahlten
Vermittlungskosten zu ubernehmen. Uber die Erlangung eines
Arbeitsplatzes hinaus sei damit kein zusatzlicher Wert fur den
Arbeitnehmer oder eine Entlastung von ihn eigentlich treffenden
wirtschaftlichen Belastungen verbunden. Es sei allein das
Interesse des Arbeitgebers, geeignetes Personal durch die
Einschaltung einer Personalvermittlung zu gewinnen. Insoweit
beschranke sich der Vorteil des Arbeitnehmers auf den dann zur
Verfugung gestellten Arbeitsplatz.
Diese
Erwägungen führten dazu, dass die Klausel den Kläger (...)
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