Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
BVerfG:
Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern während eines
Arbeitskampfes ist verfassungskonform!
Bereits
seit dem Jahr 1972 ist in § 11 Abs. 5 AÜG geregelt, dass ein
Zeitarbeitnehmer bei einem Arbeitskampf im Betrieb des Kunden
nicht "gezwungen" werden kann, dort tätig zu werden. Er
konnte sich insoweit auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen.
Im Rahmen der AÜG-Reform 2017 hat der Gesetzgeber diese Regelung
verschärft: selbige enthält – neben dem bereits angesprochenen
Leistungsverweigerungsrecht – nunmehr das (insoweit
verschärfende) Verbot, Zeitarbeitnehmer auf bestreikten
Arbeitsplätzen einzusetzen, wenn der Kundenbetrieb unmittelbar
von einem Arbeitskampf betroffen ist. Gesetzlich untersagt ist
folglich die Überlassung von Zeitarbeitnehmern als Streikbrecher
– und zwar unabhängig davon, ob diese zu Beginn des
Arbeitskampfes bei dem Kunden schon im Einsatz waren. Ein Verstoß
gegen dieses Verbot kann für den Kunden (nicht hingegen für den
Personaldienstleister) mit einem Bußgeld von bis zu 500.000,00
EUR geahndet und damit sehr teuer werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 8a,
Abs. 2 AÜG). Das Leistungsverweigerungsrecht des
Zeitarbeitnehmers kann auch nach der aktuellen Rechtslage –
zusätzlich zum Einsatzverbot – ausgeübt werden, wenn der
Zeitarbeitnehmer während eines Arbeitskampfes legalerweise in
einem Kundenbetrieb eingesetzt werden kann, z.B. wenn dieser in
einen Betriebsteil überlassen wird, der nicht bestreikt wird,
oder keine Tätigkeiten übernimmt, die bisher von
Stammbeschäftigten erledigt wurden, die sich nunmehr in einem
Arbeitskampf befinden. Die Verschärfung der gesetzlichen
Bestimmung in Zusammenhang mit dem Einsatz von Zeitarbeitnehmern
während eines Arbeitskampfes begründet der Gesetzgeber damit,
dass in den letzten Jahren zunehmend häufiger Zeitarbeitskräfte
als Streikbrecher eingesetzt worden seien bzw. sein sollen. Trotz
des bereits bestehenden Leistungsverweigerungsrechtes sei in
diversen Arbeitskämpfen der letzten Jahre, u.a. in den Bereichen
Einzelhandel, Gesundheitswesen, Postdienste, Telekommunikation und
Metall, Arbeitnehmerüberlassung zur Einflussnahme auf Streiks
eingesetzt worden. Zeitarbeitnehmer seien dabei z.T. massiv unter
Druck gesetzt werden, als Streikbrecher tätig zu werden (vgl.
BTDrucksache 18/9232, S 27 f). Diesen "Missstand"
beabsichtigte der Gesetzgeber, durch die Anreicherung von § 11
Abs. 5 AÜG durch ein entsprechendes Einsatzverbot, das ab dem
01.04.2017 von dem bereits bestehenden Leistungsverweigerungsrecht
flankiert wird, zu beseitigen.
In
der Literatur regte sich schnell wissenschaftlicher Widerstand
gegen die Neuregelung, die überwiegend als verfassungswidrig oder
zumindest als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen worden ist
(vgl. HWK/Höpfner, § 11 AÜG Rn. 31; Schüren/Hamann, AÜG, §
11 Rn. 172 ff.; Urban-Crell/Germakowski/ Bissels/Hurst/Germakowski/
Hurst, AÜG, § 11 Rn. 56; Henssler, RdA 2016, 24; Lembke, NZA
2017, 11; Thüsing, DB 2016, 2664; a.A. (...)
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