Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Bestimmung
der Belastungsgrenze bei Mehrarbeitszuschlägen nach den
Tarifwerken der Zeitarbeit
Wird
eine tariflich festgelegte Belastungsgrenze zur Bestimmung, ob
eine Zuschlagspflicht für Mehrarbeit besteht, nur unter
Berücksichtigung der aktiv geleisteten Stunden bestimmt oder sind
in diesem Zusammenhang auch „inaktive Zeiten bei gleichzeitiger
Fortzahlung der Vergütung“, z.B. im Rahmen des Urlaubs,
zugunsten des Mitarbeiters zu berücksichtigen? Mit dieser Frage
musste sich das LAG Hamm bereits im Jahr 2018 im Anwendungsbereich
des Manteltarifvertrags Zeitarbeit (MTV iGZ/DGB) befassen (Urt. v.
14.12.2018 – 13 Sa 589/18; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR
33/2019 Anm. 3). Mehrarbeitszuschläge knüpfen dabei gem. 4.1.2.
MTV iGZ/DGB an die von dem Arbeitnehmer in einem Monat „geleistete
Stunden“ an. Gegen dieses Urteil wurde Revision zum BAG
eingelegt. In der Sache ist eine Sachentscheidung nach der
inzwischen vorliegenden Pressemitteilung ausgeblieben; vielmehr
hat der 8. Senat den EuGH angerufen (Beschl. v. 17.06.2020 – 10
AZR 210/19 (A).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Zwischen
den Parteien besteht seit Januar 2017 ein Arbeitsverhältnis. Sie
waren im streitigen Zeitraum an den MTV iGZ/DGB gebunden. Dieser
regelt, dass Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25% für Zeiten
gezahlt werden, die im jeweiligen Kalendermonat über eine
bestimmte Zahl geleisteter Stunden hinausgehen. Der Kläger macht
Mehrarbeitszuschläge für August 2017 geltend, in dem er 121,75
Stunden tatsächlich gearbeitet hat. Daneben hat er in diesem
Monat in der Fünftagewoche für zehn Arbeitstage Erholungsurlaub
in Anspruch genommen. Die Beklagte hat dafür 84,7 Stunden
abgerechnet. Die tarifvertragliche Schwelle, die überschritten
werden muss, damit in diesem Monat Mehrarbeitszuschläge zu
leisten sind, liegt bei 184 Stunden. Der Kläger meint, ihm
stünden Mehrarbeitszuschläge zu, weil auch die für den Urlaub
abgerechneten Stunden einzubeziehen seien.
Nach
Auffassung des LAG Hamm sind bei der Berechnung von tariflichen
Mehrarbeitszuschlägen für August 2017 die in diesem Monat
angefallenen Urlaubszeiten im Umfang von 84,7 Stunden
unberücksichtigt zu lassen. Der in § 4.1.2. MTV iGZ/DGB
verwendete Begriff „geleistete Stunden“ sei ausschließlich
auf ein aktives Tun ausgerichtet. Urlaubszeiten, in denen der
Arbeitnehmer davon unter Fortzahlung seiner Vergütung befreit
sei, ließen sich bei Zugrundelegung des allgemeinen
Sprachgebrauchs nicht unter den Wortlaut der Bestimmung
subsumieren. Diese Auslegung entspreche auch dem erkennbaren Zweck
der Tarifnorm. Mehrarbeitszuschläge sollten nämlich regelmäßig
besondere Belastungen abdecken, die mit einem – grundsätzlich
zu vermeidenden – überdurchschnittlichen tatsächlichen
Arbeitseinsatz verbunden seien. Da derartige Erschwernisse bei
Urlaubszeiten im Bemessungszeitraum nicht auftreten könnten, sei
es sachgerecht, bei der tariflich vorgegebenen Belastungsgrenze
für die Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen ausschließlich auf
die tatsächlich vom Arbeitnehmer geleisteten Stunden abzustellen.
Das
BAG hat das Verfahren in der vom Zeitarbeitnehmer eingelegten
Revision nun dem EuGH vorgelegt. In der Pressemitteilung heißt es
wie folgt: (...)
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