Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
"Däubler-Kampagne":
Nun ist voraussichtlich erst einmal der EuGH am Zug – oder auch
nicht!
Bekanntermaßen
wird die Wirksamkeit der gesetzlich vorgesehenen
Abweichungsmöglichkeit von der zwingenden Anwendung des
Gleichstellungsgrundsatzes durch die Anwendung der Tarifverträge
der Zeitarbeit (§ 8 Abs. 4 AÜG) mit europarechtlichen
Erwägungen angegriffen.
Ziel dieser sog. "Däubler-Kampagne" ist es,
insbesondere equal pay ab dem ersten Tag des Einsatzes des
Zeitarbeitnehmers bei einem Kunden zu erreichen und dies auch
gerichtlich feststellen zu lassen. Bislang waren die Erfolge als
ausgesprochen dürftig zu bezeichnen. Soweit bekannt, sind
sämtliche Klagen von den angerufenen Arbeitsgerichten abgewiesen
und damit die Wirksamkeit der gesetzlichen Vorschriften bestätigt
worden. Insgesamt sind inzwischen beim BAG drei Verfahren
anhängig, die sich mit Klagen von Zeitarbeitnehmern auf die
Gewährung von equal pay befassen. Es handelt sich dabei im
Einzelnen um folgende Verfahren:
- LAG Baden-Württemberg v. 06.12.2018 - 14 Sa 27/18 (dazu:
Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 18/2019 Anm. 4): Revision anhängig
unter Az. 5 AZR 22/19; ursprünglicher Termin am 22.01.2020 –
dieser wurde von Amts wegen (allerdings zeitlich bereits vor der
Coronakrise) aufgehoben; ein neuer Termin wurde bislang noch nicht
anberaumt.
-
LAG Nürnberg v. 05.03.2019 - 5 Sa 230/18: Revision anhängig
unter Az. 5 AZR 143/19; ursprünglicher Termin am 29.04.2020 –
dieser wurde aufgehoben; ein neuer Termin wurde bislang noch nicht
anberaumt.
- LAG Nürnberg v. 20.02.2019 - 2 Sa 402/18: Revision anhängig
unter Az. 5 AZR 131/19; noch kein Termin anberaumt.
Inzwischen wurde aus Presseberichten bekannt, dass von einem
Zeitarbeitnehmer ein weiterer Rechtsstreit im Rahmen der
"Däubler-Kampagne" vor dem ArbG Kaiserslautern geführt
wird (vgl. https://www.wochenblattreporter. de/ kaiserslautern/c-lokales/arbeitsgerichtlegt-
fall-dem-eugh-vor_ a200149). In diesem Verfahren konnte der
Kläger zumindest einen Teilerfolg erzielen. Das ArbG
Kaiserslautern hat nämlich den Rechtsstreit ausgesetzt und den
EuGH im Rahmen eines Vorlageverfahrens angerufen (Az. 8 Ca
114/20). Dieser wird nun zu prüfen haben, ob die
europarechtlichen Vorgaben aus der Zeitarbeitsrichtlinie durch die
Vorschriften des AÜG in Zusammenhang mit der Abbedingung des
Gleichstellungsgrundsatzes rechtskonform umgesetzt worden sind.
Der Namensgeber der o.g. genannten Kampagne Herr Prof. Däubler
wird dabei wörtlich wie folgt zitiert (vgl. https://www.labournet.de/politik/alltag/leiharbeit/arbed_
leiharbeit/die-anstalt-prof-wolfgang-daeubler-undlabournet-
germany-gesucht-leiharbeiterinnen-fuereine-
klage-vor-dem-eugh-fuer-gleichen-lohn-undgleiche-
bedingungen-auch-in-deutschland/):
"Manchmal geht es schneller als man denkt. Jahrelang haben
wir Prozesse geführt, bis wir mit dreien von ihnen beim
Bundesarbeitsgericht gelandet sind. Dieses hatte dann in einem
Fall einen Termin anberaumt, aber diesen dann wieder verlegt. Nach
geltendem EU-Recht muss ein oberstes Bundesgericht vorlegen, wenn
es bei der Entscheidung im konkreten Fall auf die Auslegung einer
Richtlinie ankommt – und das ist bei den Leiharbeitern der Fall.
Eigentlich eine klare Sache, aber den Unternehmen tut´s weh, wenn
man die Leiharbeiter genauso wie die Stammbeschäftigten bezahlen
muss. Also zögert man ein wenig und überlegt ganz genau, ob man
wirklich vorlegen muss oder nicht. Die Vorinstanzen – etwa das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg und das
Landesarbeitsgericht Nürnberg – hätten zwar vorlegen können,
machten davon aber keinen Gebrauch. Irgendwie ist für manche
Gerichte das EU-Recht immer noch eine etwas fremde Materie, die
man nur anrührt, wenn es unbedingt sein muss. Anders das
Arbeitsgericht Kaiserslautern. Es hat von seinen Möglichkeiten
Gebrauch gemacht und den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet.
Dieser muss nun unter anderem entscheiden, ob der
"Gesamtschutz" von Leiharbeitern noch gewahrt ist, wenn
sie nach ihren speziellen Tarifverträgen 30% weniger verdienen
als Stammkräfte mit gleicher Tätigkeit. Ich bin da optimistisch,
dass der EuGH das verneinen wird; denn wenn vom gesetzlichen
Niveau nur nach unten abgewichen wird, kann von der Wahrung des
"Gesamtschutzes" nicht mehr die Rede sein. Allerdings
wird man eine Entscheidung aus Luxemburg erst in ca. eineinhalb
Jahren bekommen. Die Verfahren brauchen ihre Zeit – was auch
damit zusammenhängt, dass immer eine Übersetzung in einige der
22 Amtssprachen der EU erfolgen muss. Aber für Richter mit einem
anderen (...)
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