Präsident
des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister
(BAP)
Sebastian
Lazay
Personaldienstleister
müssen Antworten auf den Wandel des Arbeitsmarktes finden
Die Personaldienstleister haben die Auswirkungen des politisch und
wirtschaftlich nervösen Jahres 2019 in Deutschland zu spüren
bekommen, denn die Zahl der Zeitarbeitnehmer ist merklich
gesunken. Laut der neuesten Statistik der Bundesagentur für
Arbeit (BA) waren im August 2019 750.000 Menschen in der Branche
sozialversicherungspflichtig beschäftigt und somit 106.000
weniger als im Vorjahresmonat.
Ausschlaggebend hierfür sind vorrangig drei Faktoren: Erstens,
eine anhaltend schwache Konjunktur in Deutschland, insbesondere in
der Exportindustrie. Zweitens, der branchenübergreifende
Fachkräftemangel, der auf den demografischen Wandel und das
zehnjährige kontinuierliche Beschäftigungswachstum
zurückzuführen ist. Und Drittens schließlich die gesetzlichen
Änderungen und Einschränkungen, die die Bundesregierung mit den
jüngsten gesetzlichen Neuregelungen des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahr 2017 eingeführt hat und
die noch immer negative Auswirkungen auf unsere Branche haben.
Bei einer differenzierten Betrachtung ist die Entwicklung jedoch
heterogen: Einerseits sank 2019 sowohl die Nachfrage nach
Zeitarbeit in der Industrie als auch nach gering qualifizierten
Arbeitskräften. Andererseits verzeichneten viele unserer
Mitgliedsunternehmen nach wie vor ein Wachstum, wenn es um
hochqualifizierte Arbeitskräfte und den Dienstleistungssektor
geht. Darüber hinaus lassen sich regionale Unterschiede
feststellen. Die Lage ist also komplexer denn je. Um auch in
diesen raueren Zeiten zu bestehen, dürfen wir uns als Arbeitgeber
nicht auf den Staat verlassen, sondern müssen selbst aktiv
Antworten auf den Wandel des Arbeitsmarktes finden.
Stichwort Staat: Auch im zu Ende gehenden Jahr warf uns die
Politik mehrere Knüppel zwischen die Beine. Hierzu zählt das in
diesem Jahr vom Bundestag verabschiedete
Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das eigentlich eine gute Nachricht
für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Es hat nur eine
entscheidende Schwäche: Es verwehrt der Zeitarbeit als einziger
Branche die Anwerbung von Menschen mit einer klassischen
Berufsausbildung auch außerhalb der EU. Dies ist wirklich
paradox, denn gerade die Personaldienstleister beweisen seit
Jahren im Flüchtlingsbereich, dass sie Migration und die
dazugehörige soziale Integration über nationale Grenzen hinaus
managen können, wie auch die im Frühjahr 2019 gestartete neue
BAP-Initiative „Integrationsdienstleister“ (
www.integrationsdienstleister. de) eindrucksvoll aufzeigt. Der BAP
wird sich auch zukünftig dafür stark machen, dass die
Fachkräftezuwanderung für die Zeitarbeit endlich geöffnet und
die diskriminierende Sonderregelung für die Branche abgeschafft
wird.
Ebenso
wenig nachvollziehbar sind die politischen Forderungen nach einer
Regulierung oder gar Verbot der Zeitarbeit in der Pflege, die 2019
wie ein Mantra immer wieder ertönten. Fakt ist, dass die
tatsächlichen Zahlen von Zeitarbeitskräften in der Pflege und
die öffentliche Diskussion weit auseinanderliegen. So zeigt eine
aktuelle Sonderauswertung der BA, dass die Quote der
Zeitarbeitsbranche an allen Pflegekräften gerade einmal bei 1,02
Prozent liegt. Zeitarbeit in der Pflege ist also ein
Randphänomen. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, weswegen die
Politik und auch vereinzelte Pflegeverbände Zeitarbeit
ausgerechnet in der Pflege einschränken wollen, obwohl
Pflegekräfte überall händeringend gebraucht werden. Weder Zwang
noch Bevormundung schafft eine einzige Pflegekraft zusätzlich!
Zeitarbeit trägt indes ihren Teil dazu bei, dass Menschen
dauerhaft in der Pflege tätig bleiben, wenn sie gute
Arbeitsbedingungen vorfinden und ihre Bedürfnisse berücksichtigt
werden. Gerade angesichts des strukturellen Personalmangels ist es
enorm wichtig, dass wir diese Menschen nachhaltig in der Pflege
halten. Deshalb müssen wir, die Zeitarbeitsbranche, gemeinsam mit
den seriösen Pflege-Arbeitgebern daran arbeiten, nicht nur das
System Pflege aufrechtzuerhalten, sondern den Pflegeberuf wieder
attraktiver zu machen.
Nicht
nur in der Pflege, sondern auf dem gesamten deutschen Arbeitsmarkt
wird 2020 die Suche nach qualifiziertem Personal stärker denn je
im Fokus stehen. Unabhängig vom Qualifikationsniveau ist
passgenaues Recruiting auch für die Personaldienstleister im
kommenden Jahr wesentliche Herausforderung und Chance, denn dieses
wird zu einer immer gefragteren Schlüsselkompetenz. Genau darin
liegt die Stärke der Zeitarbeit, denn sie steht für
Flexibilität und Expertise bei der Personalbeschaffung und
unterstützt die Stabilisierung des Arbeitsmarktes. Dank ihr
können Unternehmen flexibel auf Auftragsspitzen reagieren.
Deshalb werden die Personaldienstleister in Zukunft noch stärker
die Funktion einer Personalabteilung für die Unternehmen
übernehmen: Beratung, Vermittlung, Spezialisierung. Die
Zeitarbeit wird dadurch zunehmend zur Personalabteilung der
deutschen Wirtschaft.
Es
ist an der Zeit, dass die Bedeutung und der Beitrag der
Zeitarbeitsbranche als strategisch wichtiger Partner des deutschen
Arbeitsmarktes von der Politik und der Öffentlichkeit endlich
wertgeschätzt werden, statt sie zu diskreditieren und ihr immer
mehr Flexibilität zu nehmen. Die Personaldienstleistungsbranche
wird im kommenden Jahr jedenfalls erneut unter Beweis stellen,
dass sie als Arbeitsmarkt- und Flexibilisierungsinstrument in
einer globalisierten Wirtschaft nicht mehr wegzudenken ist –
ungeachtet aller widrigen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
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Bundesvorsitzender
des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Christian
Baumann
Entbürokratisierung:
Gesetzgeber in der Pflicht
2019 war ein sehr anstrengendes Jahr. Wir hatten kurzfristig
entstehend einen brutalen Vertriebsdruck, eine gleichbleibend
problematische Rekrutierungssituation und zusätzlich auch noch
regulatorisch einige Herausforderungen. Ich habe es jüngst auf
dem iGZ-Landeskongress Nord in Lübeck gesagt: „Ich mache drei
Kreuze, wenn dieses Jahr vorbei ist – und das geht vermutlich
nicht nur mir so.“ Aber die Frage ist ja auch: Was kommt danach?
Wie
wird 2020?
Obwohl die Konjunktur Vielen die Sorgenfalten auf die Stirn
treibt, bin ich grundsätzlich positiv gestimmt. Denn in Zeiten,
in denen Personalverfügbarkeit zum Wettbewerbsfaktor wird, kommt
die Zeit der Rekrutierungsprofis. Auch hier wird sich relativ
schnell die Frage in der Wirtschaft nach dem „make or buy“
stellen. Und, seien wir doch mal ehrlich: Die Personalarbeit ist
nicht die Kernkompetenz der meisten Industrie-, Handwerks- oder
Dienstleistungsunternehmen. Aber es ist die Kernkompetenz der
Personaldienstleister. Und deswegen ist mir grundsätzlich um
unsere Branche auch nicht bange.
Entbürokratisierung
Allerdings wird unsere tägliche Arbeit schon durch einige
Regelungen erschwert, die weder logisch noch sinnvoll sind. Wenn
die Überschrift „Bürokratisierung“ aufgerufen wird, ist
„Schriftformerfordernis“ das erste Buzzword in diesem
Zusammenhang. Und es entbehrt angesichts einer allgemeinen
Diskussion über die Bedeutung der Digitalisierung für unser
Wirtschaftsleben auch nicht einer gewissen Komik, dass wir heute
noch darüber sprechen, dass Arbeitnehmerüberlassungsverträge
grundsätzlich zunächst einmal die handschriftliche Unterschrift
der beiden Vertragsparteien tragen müssen. Unabhängig davon,
dass es über Bevollmächtigungsmodelle oder eine qualifizierte
elektronische Signatur Möglichkeiten gibt, diese abstruse
Regelung ein wenig praktikabler zu gestalten, müssen wir doch
feststellen, dass der Gesetzgeber – und in Teilen auch die
Kontrollbehörden – an praxisfernen Regelungen wie dieser
festhalten, die keinerlei erkennbaren Nutzen für irgendwen
bedeuten.
Gesetzgeber in der Pflicht
Und das, obwohl sie es besser wissen müssten. Denn im 2.
Datenschutzanpassungsgesetz wurde ausdrücklich die Möglichkeit
eingeräumt, dass Beschäftigte der Verarbeitung ihrer
personenbezogenen Daten – und deren Schutz hat ja unbestritten
eine sehr hohe Priorität – per Textform zustimmen dürfen. Hier
begründet das der Gesetzgeber ausdrücklich damit, dass diese
Erleichterung dem Ziel des Koalitionsvertrages entspreche, „alle
Gesetze auf ihre Digitaltauglichkeit zu überprüfen“ –
insbesondere vor dem Hintergrund „erneute, ehrgeizige
Überprüfung der Schriftformerfordernisse“ durchzuführen.
Daher sehe ich den Gesetzgeber zwingend in der Pflicht, zumindest
an dieser Stelle das AÜG noch einmal zu korrigieren. Dass er
grundsätzlich dazu bereit ist, Dinge auch anzupacken, sieht man
ja auch zum Beispiel an der Initiative der Bundesregierung zur
Digitalisierung der Krankmeldungen ab 2021. Das wird jedenfalls
– und das muss man dann auch mal positiv vermerken – eine
spürbare Entlastung und eine Vereinfachung der Abläufe mit sich
bringen.
Ihr
Christian Baumann
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