Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Auf
ein Neues: AGB-rechtliche (Un-)Wirksamkeit von Bezugnahmeklauseln
auf ein Tarifwerk der Zeitarbeit (hier: BAP/DGB)
Nach
wie vor beschäftigen die Folgen des „CGZP-Beschlusses“ des
BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10; dazu: Bissels, BB 2011, 893)
die Gerichte – zuletzt das LAG Düsseldorf, das sich in einem in
tatsächlich-rechtlicher Hinsicht komplexen Verfahren, das
insbesondere auf die Zahlung von equal pay gerichtet war, mit
zahlreichen bereits höchstrichterlich beantworteten, aber auch
mit noch kontrovers diskutierten Fragen in Zusammenhang mit der
arbeitsrechtlichen Abwicklung der o.g. christlichen
Tarifgemeinschaft befassen musste (Urt. v. 07.12.2018 – 10 Sa
995/17). U.a. musste das LAG Düsseldorf über die Qualifizierung
des Tarifwerks BAP/DGB als mehrgliedrig oder einheitlich
entscheiden. Dies stellt dabei die Weichen für die
AGB-rechtlichen Anforderungen an eine wirksame arbeitsvertragliche
Bezugnahmeklausel, über die der equal pay-/equal
treatment-Grundsatz zugunsten des Zeitarbeitsunternehmens
abbedungen werden kann (§ 8 Abs. 2, 4 AÜG).
I. Zusammenfassung der Entscheidung
Dem
Urteil des LAG Düsseldorf lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Mit dem klagenden Zeitarbeitnehmer hat der Personaldienstleister
im Jahr 2005 einen Arbeitsvertrag geschlossen, der eine Verweisung
auf die von dem AMP mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge
vorsieht (Arbeitsvertrag 2005). Ergänzend wurde dem Arbeitgeber
ein einseitiges Ersetzungsrecht hinsichtlich der in Bezug
genommenen Tarifverträge zugebilligt, durch das er diese für die
Zukunft durch Tarifverträge substituieren kann, die von einem
anderen zuständigen Arbeitgeberverband abgeschlossen wurden.
Im Jahr 2010 machte der Arbeitgeber davon Gebrauch und
unterrichtete den Zeitarbeitnehmer unter Verweis auf das
Ersetzungsrecht darüber, dass die Tarifverträge, die inzwischen
von dem AMP, der CGZP und von einigen konkret benannten
christlichen Gewerkschaften (CGBTarifwerk) verhandelt wurden,
nunmehr auf das Arbeitsverhältnis angewendet werden
(Änderungsschreiben 2010).
Ob mit dem Kläger eine Vereinbarung dazu geschlossen wurde, ist
zwischen den Parteien streitig. Der Arbeitgeber behauptet, dass
der Zeitarbeitnehmer im Februar 2010 einen Vertrag unterzeichnet
habe, der der obigen einseitigen Erklärung entsprochen haben
solle (Arbeitsvertrag 2010). Zusätzlich sei nachfolgende
Kollisionsregelung aufgenommen worden:
„Bei in sich widersprechenden Regelungen einzelner
Mitgliedsgewerkschaften der in Satz 1 genannten Tarifgemeinschaft
gilt Folgendes: Wird der Mitarbeiter als Facharbeiter oder Helfer
im Bereich Heizung/Sanitär, Metallund Elektroindustrie,
Elektroinstallationshandwerk, Maler & Lackiererhandwerk sowie
dem Metall- Handwerk eingesetzt, hat der Tarifvertrag der
Christlichen Gewerkschaft Metall den Vorrang. Unterliegt der
Kundenbetrieb dem Geltungsbereich des
Elektroinstallationshandwerks oder dem Maler &
Lackiererhandwerk, gilt für den Mitarbeiter ferner auch das
Arbeitnehmerentsendegesetz.“
Im Jahr 2013 soll nach dem Vortrag des Arbeitgebers mit Wirkung
zum 01.04.2013 eine Zusatzvereinbarung geschlossen worden sein,
die eine Bezugnahme auf das Tarifwerk BAP/DGB vorsieht
(Arbeitsvertrag 2013). Zudem wurde eine Kollisionsregelung
aufgenommen, die wie folgt lautete:
„Bei in sich widersprechenden Regelungen einzelner
Mitgliedsgewerkschaften der in Satz 1 genannten
DGB-Tarifgemeinschaft gilt Folgendes: Wird der Mitarbeiter als
Facharbeiter oder Helfer im Bereich Heizung / Sanitär, Metallund
Elektroindustrie, Elektroinstallationshandwerk, Maler &
Lackiererhandwerk sowie dem Metall Handwerk eingesetzt, hat der
Tarifvertrag der IG Metall den Vorrang. Unterliegt der
Kundenbetrieb dem Geltungsbereich des
Elektroinstallationshandwerks oder dem Maler &
Lackiererhandwerk, gilt für den Mitarbeiter ferner auch das
Arbeitnehmerentsendegesetz.“
Mit seiner Klage vom 22.12.2015 verlangt der Zeitarbeitnehmer die
Zahlung von equal pay vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2015; im Jahr
2016 wurde die Klage auf den Zeitraum vom 01.01.2016 bis
einschließlich April 2016 erweitert.
Das LAG Düsseldorf hat entsprechende equal pay-Ansprüche
lediglich für den Zeitraum von Januar 2012 bis März 2013
zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der
Gleichstellungsgrundsatz sei durch den Arbeitsvertrag 2005 nicht
wirksam abbedungen worden. Die entsprechend in Bezug genommenen
Tarifverträge AMP/CGZP seien keine solchen im Rechtssinne. Die im
Änderungsschreiben 2010 formulierte Bezugnahmeklausel sei
intransparent und deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam,
weil sie auf einen sog. mehrgliedrigen Tarifvertrag verweise und
keine Kollisionsregel enthalte (vgl. BAG v. 13.03.2013 – 5 AZR
954/11).
Durch den Arbeitsvertrag 2010 sei zwar eine bei einem
mehrgliedrigen Tarifwerk (hier: CGB-Tarifverträge) AGB-rechtlich
erforderliche Kollisionsbestimmung aufgenommen worden (zugunsten
des Zeitarbeitsunternehmens werde unterstellt, dass dieser
tatsächlich abgeschlossen worden sei), diese sei aber ihrerseits
nicht transparent und daher unwirksam. Nach der dort gewählten
Formulierung sei für den Kläger zum Zeitpunkt der behaupteten
Vereinbarung nicht abstrakt vorhersehbar gewesen, welche
tariflichen Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis jeweils
Anwendung finden würden. Die Kollisionsklausel regele nämlich
nicht alle denkbaren Konstellationen. So fehle eine Bestimmung
für die Zeit bis zu einem ersten Einsatz und für die Zeiten
zwischen zwei Überlassungen sowie eine Aussage darüber, welcher
Tarifvertrag gelten solle, wenn der Arbeitnehmer an einen
Kundenbetrieb überlassen werde, für den sich keine
satzungsgemäße Zuständigkeit der beteiligten Gewerkschaften
ergebe. Damit bestehe die Gefahr, dass der Kläger wegen unklar
abgefasster AGB nicht erkennen könne, ob und wie er seine Rechte
wahrnehmen könne, da er nicht für jeden Fall wisse, welche
Tarifverträge nun gelten sollten oder nicht. Sei die in der
Bezugnahmeklausel enthaltene Kollisionsregelung unwirksam, führe
dies zur Unwirksamkeit der gesamten Verweisung. Selbst wenn davon
ausgegangen werde, dass die Bezugnahmeklausel teilbar sei,
verbliebe bei Streichung des unwirksamen Teils wiederum nur eine
Verweisung, der es an der zwingend erforderlichen Kollisionsregel
fehle.
Mit Wirkung zum 01.04.2013 hätten die Parteien allerdings durch
den Arbeitsvertrag 2013 wirksam eine zur Abweichung vom
Gleichstellungsgrundsatz berechtigende Bezugnahme vereinbart. Das
LAG Düsseldorf hat dabei hinsichtlich des Vertragsschlusses
Beweis erhoben und ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem
Ergebnis gekommen, dass der Kläger den Arbeitsvertrag 2013
unterzeichnet hat. Dabei geht das Gericht zunächst davon aus,
dass auch diese Kollisionsregelung aus den bereits genannten
Gründen intransparent und damit unwirksam, dass dies jedoch
vorliegend unschädlich sei. Die Bezugnahmeklausel sei auf
Grundlage des sog. bluepencil- Tests teilbar. Werde die
Kollisionsbestimmung gestrichen, bleibe eine klare Bezugnahme auf
das Tarifwerk BAP/DGB erhalten. Diese sei mit ihrem nach der
Streichung verbleibenden Inhalt wirksam. Insbesondere stünden
dieser nicht die zur Inbezugnahme eines mehrgliedrigen Tarifwerks
entwickelten Anforderungen des BAG (Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR
954/11) entgegen. Denn bei den mit der Klausel in Bezug genommenen
Tarifverträgen BAP/DGB handele es sich nicht um einen
mehrgliedrigen Tarifvertrag (im engeren Sinne), sondern um ein
sog. Einheitstarifwerk. Die Frage sei in der Rechtsprechung zwar
noch nicht abschließend geklärt (vgl. LAG Nürnberg v.
11.10.2013 – 3 Sa 699/10; Hess. LAG v. 04.09.2014 – 9 TaBV
91/14; LAG Düsseldorf v. 29.10.2014 – 7 Sa 1053/13; LAG
Rheinland-Pfalz v. 02.03.2016 – 7 Sa 352/15; LAG Bremen v.
06.12.2017 – 3 Sa 64/17; Bissels, jurisPR-ArbR 25/2014 Anm. 1;
Bissels, jurisPR-ArbR 23/2016 Anm. 6; Ulrici, jurisPR-ArbR 22/2018
Anm. 4). Dabei sieht das LAG Düsseldorf ein wesentliches Indiz
für einen Einheitstarifvertrag darin, dass das Tarifwerk gerade
nicht als mehrgliedrig bezeichnet werde. Dieses werde durch die im
Tarifwerk enthaltene Herausverweisung auf die zwischen einzelnen
Mitgliedsgewerkschaften der DGB-Tarifgemeinschaft und dem BAP für
einzelne Einsatzbranchen geschlossenen Branchentarifverträge noch
verstärkt, die ohne Rücksicht darauf gelten sollten, ob der
Zeitarbeitnehmer (auch) Mitglied der den jeweiligen
Branchenzuschlagstarifvertrag schließenden Einzelgewerkschaft
sei. Unter Berücksichtigung des sich darin zugleich
verdeutlichenden Zwecks, die Arbeitsbedingungen der
Zeitarbeitnehmer unabhängig davon, welcher
DGB-Mitgliedsgewerkschaft sie angehörten, einheitlich regeln zu
wollen, spreche diese „gewerkschaftsübergreifende“ Bindung
zugunsten eines Einheitstarifvertrages. Vor diesem Hintergrund sei
der zwingende Gleichstellungsgrundsatz zumindest ab dem 01.04.2013
wirksam abbedungen worden. (...)
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