Dr.
Alexander Bissels und Dr. Felix Fuchs
Die
Kundenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung – Teil 1
Die
Arbeitnehmerüberlassung ist eine etablierte Form des flexiblen
Personaleinsatzes, weil sie Unternehmen Möglichkeiten zur
Abdeckung von Auftragsspitzen und kurzfristigen Personalbedarfen
bietet (BT-Drucks. 18/9232, S. 1). Aber sie birgt auch finanzielle
Risiken für den Kunden, weil er für die Abführung der
Sozialversicherungsbeiträge der an ihn überlassenen
Zeitarbeitnehmer haftet bzw. haftbar gemacht werden kann. Bei
einem Satz von ca. 40 % (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag) pro
Mitarbeiter und Monat können immense Forderungen auf den Kunden
zukommen. Dieser Beitrag beschreibt die Haftungsgrundsätze; der
zweite Teil wird die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung bzw.
-vermeidung behandeln.
1. Grundzüge der Haftung des Kunden
a)
Legale Arbeitnehmerüberlassung
Bei einer legalen Arbeitnehmerüberlassung ist der
Personaldienstleister alleiniger Arbeitgeber des
Zeitarbeitnehmers. Diesen treffen daher die üblichen
Arbeitgeberpflichten i.R.d. Sozialversicherung. Der
Personaldienstleister hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag
für alle Versicherungszweige (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-
und Pflegeversicherung, § 28d SGB IV) nach § 28e Abs. 1 SGB IV
abzuführen sowie die Beiträge zur gesetzlichen
Unfallversicherung zu zahlen (§ 150 SGB VII). Darüber hinaus
obliegen ihm die allgemeinen Meldepflichten nach § 28a SGB IV.
Für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie für
die Beiträge zur Unfallversicherung haftet der "legal
entleihende Kunde" nach § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV und § 150
Abs. 3 SGB VII wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Bei einer
nicht vollständigen Abführung des Sozialversicherungsbeitrags
durch das Zeitarbeitsunternehmen erstreckt sich die
Subsidiärhaftung des Kunden auf den Unterschiedsbetrag (dazu:
Urban-Crell/Germakowski/Bissels/ Hurst, AÜG, Einleitung Rn. 97
ff.).
Die
Haftung nach § 28e Abs. 2 SGB IV greift bei jeder Form der
Arbeitnehmerüberlassung, auch bei der nichtgewerbsmäßigen
Überlassung von Zeitarbeitnehmern (Zieglmeier, NZS 2017, 322).
Durch diese Mithaftung des Kunden soll die Zahlung der
Sozialversicherungsbeiträge sichergestellt werden (BTDrucks.
11/2221, S. 22). Außerdem soll die administrative Kontrolle der
BA um einen marktwirtschaftlichen Kontrollmechanismus ergänzt
werden: denn das Haftungsrisiko soll den Kunden dazu veranlassen,
sich fortlaufend über die Seriosität des Personaldienstleisters
zu informieren. Dies wiederum soll selbigen dazu anhalten, seine
Verpflichtungen nach dem AÜG zu erfüllen (BTDrucks. VI/2303, S.
16). Die Haftung des Kunden steht mit höherrangigem Recht,
insbesondere dem Verfassungsrecht, in Einklang (vgl. LSG
Baden-Württemberg, BeckRS 2000, 16289). Bedenken gegen sie
bestehen auch dann nicht, wenn der Personaldienstleister insolvent
ist und daher der Kunde alleine das Risiko der Abführung der
Sozialversicherungsbeiträge trägt.
Fehlendes Verschulden des Kunden schließt – anders als bei der
Generalunternehmerhaftung im Baugewerbe (§ 28e Abs. 3a, 3b SGB
IV) und der Lohnsteuerhaftung (§ 42d Abs. 4 S. 3 EStG) – dessen
Subsidiärhaftung nicht aus. Der Kunden kann die Zahlung nur
verweigern, solange die Einzugsstelle den Personaldienstleister
nicht unter Einhaltung einer angemessenen Frist gemahnt hat und
die Mahnfrist nicht abgelaufen ist (§ 28e Abs. 2 S. 2 SGB IV).
Angemessen ist i.d.R. eine Frist von einer Woche. Das
Leistungsverweigerungsrecht gem. (...)
|