Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
Vermittlungsprovision
bei Übernahme von Zeitarbeitnehmern – auch nach einer
Kündigung durch den Personaldienstleister
Wir
haben erst vor kurzem an anderer Stelle über eine Entscheidung
des LG Braunschweig berichtet, in der es um die klageweise
Durchsetzung der von dem Personaldienstleister beanspruchten
Vermittlungsprovision aufgrund der Übernahme von
Zeitarbeitnehmern durch den Kunden ging (vgl. Bissels/Falter, AIP
6/2018, 3 ff.). Das Gericht entschied, dass kein Anspruch besteht.
Die Besonderheit des Falls bestand darin, dass der
Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit dem
Zeitarbeitnehmer selbst gekündigt hat, so dass – so das LG
Braunschweig - keine provisionspflichtige Übernahme vorliegen
solle. Dies sei – so das Gericht – nur der Fall, wenn der
Kunde den Zeitarbeitnehmer gerade aus dem Arbeitsverhältnis zum
Personaldienstleister übernehme. Kündige dieser den Vertrag zum
Zeitarbeitnehmer und suche sich dieser daraufhin eigenständig
eine neue Arbeitsstelle, könne nicht von einer Übernahme
gesprochen werden. Dass diese Entscheidung nicht richtig ist,
wurde bereits an anderer Stelle dargestellt (vgl. Bissels/Falter,
jurisPR-ArbR 18/2018 Anm. 5). Vor diesem Hintergrund ist für die
Praxis ein Urteil des LG Aachen von Interesse, das insoweit eine
abweichende Ansicht vertritt und dem Personaldienstleister die
geltend gemachte Vermittlungsprovision zusprach (Urt. v.
27.02.2018 - 8 O 243/17).
I. Inhalt der Entscheidung
Der Entscheidung lag – kurz zusammengefasst – folgender
Sachverhalt zugrunde:
Der
klagende Personaldienstleister schloss mit dem Kunden einen
schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ab, der u.a.
folgende Bestimmung vorsah (Ziff. 10.1):
"Stellt der Entleiher während der Überlassung oder in
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang nach Beendigung der
Überlassung den überlassenen Mitarbeiter ein, so gilt dies als
Personalvermittlung des Verleihers. Berechnungsgrundlage hierfür
ist der Bruttostundenlohn des überlassenen und übernommenen
Mitarbeiters zzgl. jeweils gültiger USt. Die
Vermittlungsprovision beträgt
-
bei Übernahme während oder nach einer Überlassungsdauer von 3
Monaten 2 Bruttomonatsgehälter,
-
ab 4 bis 6 Monaten 1,5 Bruttomonatsgehälter,
-
ab 7 bis 9 Monaten 1 Bruttomonatsgehalt
-
ab 10 bis 12 Monaten 0,5 Bruttomonatsgehälter. Ab einer
Überlassungsdauer von mehr als 12 Monaten entfällt die Zahlung
eines Vermittlungshonorars."
Zudem wurde vereinbart (Ziff. 10.2), dass ein Anspruch auf die
Zahlung einer Vermittlungsprovision bei Übernahme innerhalb von 6
Monaten entsteht, sofern der Kunde nicht nachweist, "dass die
vorangegangene Überlassung für die Übernahme nicht ursächlich
gewesen ist."
Bei
dem Kunden war ein Mitarbeiter des Personaldienstleisters auf
Grundlage des abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages
bis zum 31.03.2017 im Einsatz. Mit Wirkung zum gleichen Datum
kündigte dieser das mit dem Zeitarbeitsunternehmen bestehende
Arbeitsverhältnis und schloss mit Wirkung zum 01.04.2017 einen
Arbeitsvertrag mit dem Kunden. Die Überlassung eines weiteren
Mitarbeiters endete am 29.04.2017; der Personaldienstleister hat
das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt gekündigt. Mit Wirkung
zum 01.05.2017 begründete der Zeitarbeitnehmer ein
Arbeitsverhältnis mit dem Kunden.
Der
Personaldienstleister verlangt von diesem auf Grundlage der
vereinbarten vertraglichen Bestimmungen die Zahlung einer
Provision für die beiden vermittelten Arbeitnehmer. Dies lehnte
der Kunden u.a. unter Hinweis auf eine AGB-rechtliche
Unwirksamkeit der maßgeblichen Klausel im
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ab.
Das
LG Aachen gab der Klage statt. Der von dem Personaldienstleister
geltend gemachte Anspruch auf die Zahlung der
Vermittlungsprovision ergebe sich aus dem
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.
Die
betreffende Klausel sei nicht wegen einer Provision in
unangemessener Höhe gem. § 9 Nr. 3 AÜG unwirksam. Der BGH habe
klargestellt, dass eine entsprechende Bestimmung über die Zahlung
einer Vermittlungsprovision degressiv nach Zeitabschnitten und am
Jahresbruttoeinkommen des Arbeitnehmers und darüber hinaus an den
Gesichtspunkten der Verkehrsüblichkeit, des Marktniveaus einer
funktionsgleichen Vermittlungsleistung sowie der Qualifikation des
betroffenen Arbeitnehmers orientiert sein müsse (Urt. v.
10.11.2011 - III ZR 77/11). Die vorliegend relevante Klausel
entspreche durch die monatliche Staffelung der Überlassungsdauer
und aufgrund der Berücksichtigung des maßgeblichen
Jahresbruttoeinkommens diesen Kriterien. Auch die Qualifikation
des Arbeitnehmers sei über die Kopplung an das
Jahresbruttoeinkommen ausreichend berücksichtigt. Dass der
Personaldienstleister auf den Faktor 2 noch die Umsatzsteuer
aufschlage, so dass tatsächlich eine Provision mit dem Faktor
2,38 von dem Kunden zu zahlen sei, sei nicht zu beanstanden. Zum
einen könne der Kunde diese seinerseits steuerlich absetzen, zum
anderen fließe die Steuer nicht dem Zeitarbeitsunternehmen selbst
zu. Dieses beziehe vielmehr eine Provision des Faktors 2; dies sei
angesichts des Aufwandes, der für den Personaldienstleister mit
dem Verlust des Arbeitnehmers anfalle, nicht zu beanstanden.
Insbesondere sei durch die Staffelung, die bei einer längeren
Überlassungsdauer als 3 Monate eine geringere Gebühr vorsehe,
auch hinreichend berücksichtigt, dass sich der Aufwand für das
Zeitarbeitsunternehmen mit der steigenden Überlassungsdauer
amortisiere. Unabhängig davon, ob die §§ 305 ff. BGB neben § 9
AÜG anwendbar seien und ob es sich im konkreten Fall überhaupt
um AGB handele, sei weder eine überraschende Klausel gern. § 305
BGB gegeben noch werde durch die steuerliche Regelung gegen das
Transparenzgebot gern. § 307 Abs. 1 BGB verstoßen. Dass der
Personaldienstleister seinerseits Steuern zahlen müsse und diese
in der Klausel zu Lasten des Kunden aufschlage, sei nicht
ungewöhnlich.
Dieser
könne ebenfalls nicht geltend machen, dass die Bestimmung in dem
letztgenannten Vermittlungsfall nicht anwendbar sei, weil der
Personaldienstleister dem betroffenen Arbeitnehmer ohnehin
krankheitsbedingt gekündigt habe. Der Wortlaut der Klausel
erfordere nicht, dass der Mitarbeiter von dem
Zeitarbeitsunternehmen weiterhin beschäftigt werden müsse. Auch
Ziff. 10.2 setze dies nicht voraus. Vielmehr sei nach dem Wortlaut
schon eine Mitursächlichkeit der Überlassung für den späteren
Abschluss des Arbeitsvertrages ausreichend. Dass die
ursprüngliche Überlassung, im Rahmen derer der Kunden den
Mitarbeiter habe erproben können, nicht (mit-)ursächlich für
die spätere Übernahme gewesen sei, sei durch die
krankheitsbedingte Kündigung seitens des Personaldienstleisters
nicht in Abrede gestellt worden. Dass der Zweck der Regelung für
diesen Fall derart entfallen sei, dass (...)
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