Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
CGZP-Nachforderungen
der DRV und equal pay: Das BSG hat (erneut) entschieden!
Am
18.01.2018 hat sich das BSG (erneut) mit der Rechtmäßigkeit der
von der DRV wegen der unwirksamen CGZP-Tarifverträge geltend
gemachten Nachforderungen hat befassen müssen (Az. B 12 R 3/16
R). Interessant ist die Entscheidung insbesondere vor dem
Hintergrund, dass sich der 12. Senat erneut mit der Frage
auseinandersetzen musste, ob das Zufluss- oder das
Entstehungsprinzip zur Anwendung kommt bzw. ob Aufwendungsersatz
im Rahmen der Vergleichsberechnung zugunsten des in Anspruch
genommenen Personaldienstleister berücksichtigt werden kann, um
so die Entgeltlücke und folglich darauf abzuführende
Sozialversicherungsbeiträge zu verringern. In die Diskussion
darüber war Bewegung gekommen, da in der Instanzrechtsprechung
insoweit die Ansicht vertreten wurde, dass das Zuflussprinzip gilt
(LSG Baden-Württemberg v. 27.06.2017 - L 11 R 643/17) bzw. dass
Aufwendungsersatz im Rahmen der equal pay-Betrachtung "miteinzupreisen"
ist (so die Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen v. 15.06.2016 - L
2 R 148/15; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 34/2016 Anm. 5). Beide
Auffassungen entsprechen nicht der herrschenden Ansicht in
Rechtsprechung und Literatur, so dass die Entscheidung des BSG mit
Spannung erwartet wurde – aus Sicht der Personaldienstleister
allerdings mit einem eher ernüchternden Ergebnis, wie sich aus
dem Terminbericht des BSG bereits ableiten ließ. Es gilt das
Entstehungsprinzip; echter Aufwendungsersatz ist nicht zu
berücksichtigen – so die zusammengefasste Botschaft des BSG.
I. Inhalt der Entscheidung
Im Einzelnen führt das Gericht dazu wie folgt aus:
"Die Klägerin hat als Arbeitgeberin den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die von ihr erlaubt
überlassenen Leiharbeitnehmer zu zahlen. Der Beitragsbemessung
liegt in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der
sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der
Arbeitsförderung das Arbeitsentgelt aus der
versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde, Dabei gilt im
Beitragsrecht der Sozialversicherung für laufend gezahltes
Arbeitsentgelt das sog. Entstehungsprinzip. Danach entstehen die
Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz
oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorliegen. Maßgebend für das Entstehen von an das Arbeitsentgelt
Beschäftigter anknüpfenden Beitragsansprüchen ist damit allein
das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs,
ohne Rücksicht darauf, ob, von wem und in welcher Höhe dieser
Anspruch im Ergebnis durch Entgeltzahlung erfüllt wird. Der
Zufluss von Arbeitsentgelt ist nur entscheidend, soweit der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als unter Beachtung der
gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen
geschuldet ist, also überobligatorische Zahlungen erbracht
werden. Unerheblich ist auch, ob der einmal entstandene
Entgeltanspruch vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr
realisiert werden kann (st. Rspr., vgl zuletzt BSG Urteil vom
29.6.2016 - B 12 R 8/14 R). Entgegen der Auffassung der Klägerin
kommt es deshalb auf das den Beigeladenen zu 1. und 2. zustehende
Arbeitsentgelt und nicht darauf an, ob sie der Klägerin
gegenüber einen Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt auch geltend
gemacht haben.
Beitragspflichtig ist auch geschuldetes Arbeitsentgelt im Sinne
des § 10 Abs. 4 AÜG. Nach dieser Vorschrift kann der
Leiharbeitnehmer im Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit
dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der
im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer
des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen
einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Unwirksam sind nach
§ 9 Nr. 2 AÜG Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für
die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die
im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer
des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen
einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, es sei denn, ein
Tarifvertrag lässt abweichende Regelungen zu. Diese Vorschrift
knüpft an § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG an, wonach die Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung oder ihre Verlängerung zu versagen ist,
wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die für einen
vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen
Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht
gewährt werden. Das Zusammenspiel der § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr.
2 und § 10 Abs. 4 AÜG macht Folgendes deutlich: Seit der
Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsrechts zum 1.1.2003 durch
das Gesetz vom 23.12.2002 sind Verleiher verpflichtet, ihren
Leiharbeitnehmern die für vergleichbare Arbeitnehmer des
Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen
einschließlich des Arbeitsentgelts einzuräumen. Von diesem
Grundsatz des "equal pay" kann durch wirksamen
Tarifvertrag abgewichen werden. Wird der Gleichstellungspflicht
voraussichtlich nicht nachgekommen, ist eine beantragte Erlaubnis
zur Arbeitnehmerüberlassung zu versagen. Im Falle einer nach
Erlaubniserteilung zustande gekommenen, aber letztlich unwirksamen
Überlassungsvereinbarung steht dem Leiharbeitnehmer gegen den
Verleiher wegen Verletzung des "equal pay"-Grundsatzes
ein Gleichstellungsanspruch zu. Gegenstand dieses
Gleichstellungsanspruchs ist auch ein die arbeitsvertragliche
Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der
mit der Überlassung der Leiharbeitnehmer entsteht (BAG Urteil vom
13.3.2013 - 5 AZR 954/11) und nicht erst mit seiner Geltendmachung
zur Entstehung gelangt."
Zum
Aufwendungsersatz und dessen (Nicht-)Berücksichtigung im Rahmen
der equal pay-Betrachtung holt das BSG bei der Begründung sodann
weiter aus und formuliert:
"Arbeitsentgelt
sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen
Einnahmen aus einer Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV,
gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht,
unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet
werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im
Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu diesen Einnahmen zählt
ohne Zweifel die Arbeitsvergütung auf der Grundlage des
vereinbarten Stundenlohns. Die von der Klägerin darüber hinaus
gezahlten Zuschüsse für Fahrtkosten sowie Verpflegungsmehr- und
Übernachtungsaufwendungen sind hingegen nicht zusätzlich
(differenzmindernd) anzurechnen. Sie kompensieren als echter
Aufwendungsersatz im Interesse des Verleihers getätigte
Aufwendungen der Leiharbeitnehmer, die (nur) dadurch entstanden
sind, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht in dessen, sondern
auswärts im Betrieb der Entleiher zu erbringen hatten. Ein
solcher echter Aufwendungsersatz, bei dem es am Entgeltcharakter
fehlt und - wie hier - nicht erkennbar ist, dass es sich um
verschleiertes Arbeitsentgelt handeln könnte, ist weder
arbeitsrechtlich noch bei der Bemessung des
Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeitrags Arbeitsentgelt (BSG
Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R, Rn. 49 mit Hinweis auf
BAG). Daran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Hierfür
sprechen der Wortlaut des § 10 Abs. 4 AÜG (in Verbindung mit §
14 Abs. 1 S. 1 SGB IV) sowie die Entstehungsgeschichte und
Fortentwicklung dieser Vorschrift. Weder der mit ihr verfolgte
Zweck noch europarechtliche Vorgaben zwingen zu einem anderen
Ergebnis.
§
10 Abs. 4 AÜG erstreckt das Gleichstellungsgebot auf die
"wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des
Arbeitsentgelts" und knüpft damit an § 14 Abs. 1 S. 1 SGB
IV an. Der Begriff des Arbeitsentgelts wird danach als
"Einnahmen aus einer Beschäftigung" legaldefiniert,
wodurch die erforderliche Beziehung zwischen Beschäftigung und
Entgelt und damit die Eigenschaft als Gegenleistung des
Arbeitgebers für eine konkret erbrachte Arbeitsleistung des
Beschäftigten zum Ausdruck kommt, die auf der Seite des
Beschäftigten zu einem Vermögenszuwachs führt. An einer
Gegenleistung für geleistete Arbeit mit Entgeltcharakter und
Vermögenszuwachs fehlt es hingegen bei echten
Aufwandsentschädigungen, die nur tatsächliche Aufwendungen des
Arbeitnehmers infolge der Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber
ersetzen und daher nicht einen nennenswerten Vermögensvorteil
für den Arbeitnehmer mit sich bringen.
Die
Historie des § 10 Abs. 4 AÜG belegt, dass echter Aufwandsersatz
nicht zum Arbeitsentgelt zählen soll. Die Vorschrift ist zum
1.1.2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 eingeführt worden. Dadurch wurde im
AÜG erstmals der Grundsatz festgeschrieben, dass Leiharbeitnehmer
"hinsichtlich der wesentlichen Arbeits- und
Beschäftigungsbedingungen gleichbehandelt", sie insbesondere
"im Hinblick auf Arbeitsentgelt und Arbeitszeit
vergleichbaren Arbeitnehmern des entleihenden Unternehmens
gleichgestellt werden" müssen. Unter
"Arbeitsentgelt" wurden sowohl das laufende Entgelt als
"auch Zuschläge, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und
Sozialleistungen und andere Lohnbestandteile" verstanden (BTDrucks
15/25 S. 24 und 38). Den in der Gesetzesbegründung genannten
Einnahmen ist gemeinsam, dass sie zur Entlohnung verrichteter
Arbeit oder zumindest als Lohnersatz geleistet werden, also einen
Entgelt(ersatz)charakter aufweisen.
An
dieser Regelungsabsicht hat der Gesetzgeber festgehalten. Durch
das Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze vom
21.2.2017 ist das AÜG - die Rechtsprechung des BAG aufgreifend -
teilweise neu gefasst und strukturiert worden. Der Grundsatz der
Gleichstellung von Leiharbeitnehmern des Verleihers mit
Stammarbeitnehmern des Entleihers ist seit 1.4.2017 in § 8 AÜG
normiert. Auch nach § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG hat der Verleiher die im
Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer
geltenden "wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich
des Arbeitsentgelts" zu gewähren. Zur Begründung dieser
Vorschrift ist in den Gesetzesmaterialien u.a. ausgeführt, dass
für das Arbeitsentgelt "sämtliche auf den Lohnabrechnungen
vergleichbarer Stammarbeitnehmerinnen und Stammarbeitnehmer des
Entleihers ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile"
maßgebend seien und dazu jede Vergütung zähle, "die aus
Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird beziehungsweise auf
Grund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden
muss, … insbesondere Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung,
Sonderzahlungen, Zulagen und Zuschläge sowie vermögenswirksame
Leistungen" (BT-Drucks 18/9232 S. 23). Dabei wurde
ausdrücklich u.a. auf die Urteile des BAG vom 19.2.2014 (5 AZR
1046/12) und 13.3.2013 (5 AZR 294/12) hingewiesen. In diesen
Entscheidungen hat das BAG dargelegt, dass sich die
"Berücksichtigung von Aufwendungsersatz beim
Gesamtvergleich" danach bemesse, "ob damit - wenn auch
in pauschalierter Form - ein dem Arbeitnehmer tatsächlich
entstandener Aufwand, z.B. für Fahrt-, Übernachtungs- und
Verpflegungskosten, erstattet werden soll (echter
Aufwendungsersatz) oder die Leistung Entgeltcharakter hat",
echter Aufwendungsersatz damit weder zu den wesentlichen
Arbeitsbedingungen zähle noch Arbeitsentgelt sei. Nur soweit sich
Aufwendungsersatz als "verschleiertes" und damit
steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstelle, sei er als Entgelt zu
berücksichtigen. Durch diesen Rückgriff auf höchstrichterliche
Rechtsprechung im Gesetzgebungsverfahren zur Auslegung eines
Rechtsbegriffs wird deutlich, dass die Auslegung durch das BAG der
Einschätzung des Gesetzgebers entspricht. Würde der vom BAG
angenommene Ausschluss echten Aufwendungsersatzes vom
Arbeitsentgelt vom Gesetzgeber nicht geteilt, hätte er das in der
Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht.
Eine
andere Beurteilung ist auch nicht durch den mit § 10 Abs. 4 AÜG
verfolgten Zweck geboten. Die Vorschrift dient der
Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer des Verleihers mit den
Stammarbeitnehmern des Entleihers und schützt die
Leiharbeitnehmer grundsätzlich davor, zu ungünstigeren
Bedingungen als die Stammarbeitnehmer beschäftigt zu werden.
Allerdings räumt die Regelung nur einen Mindestschutz insoweit
ein, als das an Stammarbeitnehmer gezahlte Arbeitsentgelt und die
für diese geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen den
Leiharbeitnehmern zugutekommen sollen. Sie bezweckt hingegen nicht
auch den Schutz der Verleiher vor höheren Aufwendungen für
Leiharbeitnehmer im Vergleich zu den von den Entleihern für ihre
Stammarbeitnehmer zu tragenden Arbeitskosten. Eine
Ausgleichsfunktion in dem Sinne, dass unabhängig von der Art. der
Zuwendung der Verleiher rein wirtschaftlich betrachtet nicht mehr
Aufwendungen zu tragen haben soll als der Entleiher, ist weder dem
Wortlaut des § 10 Abs. 4 AÜG noch den Gesetzesmaterialien zur
Einführung des Gleichstellungsgrundsatzes zu entnehmen. Sie ist
auch nicht wegen einer ansonsten zu befürchtenden Besserstellung
der Leiharbeitnehmer gegenüber den Stammarbeitnehmern anzunehmen.
Selbst wenn der Aufwendungsersatz - wie hier - die Differenz der
Arbeitsentgelte von Leih- und Stammarbeitnehmern übersteigen
sollte, würde dem Leiharbeitnehmer infolge seiner Aufwendungen
kein Vermögensvorteil zufließen. Die Berücksichtigung eines
echten Aufwendungsersatzes als Arbeitsentgelt würde damit gerade
nicht zur gebotenen Gleichstellung mit einem Stammarbeitnehmer
beitragen, sondern angesichts seiner mit der Beschäftigung
einhergehenden Aufwendungen die Benachteiligung des geringer
entlohnten Leiharbeitnehmers verfestigen.
Auch
europarechtliche Vorgaben erfordern keine andere Beurteilung. Die
Auffassung des LSG, dass die Außerachtlassung echter
Aufwandsentschädigungen als (...)
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