Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
equal
pay trifft das ArbG Gießen: Klarheit, aber noch keine
Rechtssicherheit!
Wir haben bereits über einen vor dem ArbG Gießen anhängigen
Rechtsstreit berichtet, in dem ein Zeitarbeitnehmer insbesondere
unter Hinweis auf europarechtliche Erwägungen – im Ergebnis
erfolglos – versuchte, einen equal pay-Anspruch gegenüber dem
Personaldienstleister durchzusetzen (s. BD 3/2018, 3ff).
Inzwischen liegen die mit großer Spannung erwarteten,
vollständig abgesetzten Gründe des Urteils vom 14.02.2018 vor (Az.
7 Ca 246/17), gegen das inzwischen Berufung seitens des Klägers
eingelegt worden ist. Die Sache ist damit (noch) nicht am Ende!
I. Entscheidung des ArbG Gießen
Auf das Arbeitsverhältnis mit dem klagenden Zeitarbeitnehmer
wurden laut Tatbestand der Entscheidung das Tarifwerk BAP/DGB und
der TV BZ ME angewendet, da dieser während des gesamten
streitgegenständlichen Einsatzes in einen Kundenbetrieb der
M+E-Industrie überlassen wurde.
Interessant sind insbesondere die vom ArbG Gießen
zusammengefassten Erwägungen des nicht gewerkschaftlich
organisierten Zeitarbeitnehmers, die dieser anführt, um den
geltend gemachten equal pay- Anspruch herzuleiten. Der Kläger ist
der Auffassung, er habe einen Anspruch auf eine Vergütung gem. §
8 Abs. 1 S. 1 AÜG nach den für die Zeit der Überlassung im
Betrieb des Kunden geltenden Bedingungen, also nach den zwischen
der IG Metall und dem Verband der Metallund Elektrounternehmen
Hessen e.V. abgeschlossenen Tarifverträgen. Zwar könne gem. § 8
Abs. 2 AÜG durch Tarifvertrag von diesem Gleichstellungsgrundsatz
abgewichen werden. Diese gesetzliche Ermächtigung an die
Tarifparteien gehe jedoch nicht so weit, dass – wie vorliegend
– auch eine Vergütung vorgesehen werden könne, die bei einem
Stammbeschäftigten gegen § 138 BGB verstoßen würde. Dies sei
der Fall, wenn die Tariflöhne um mehr als Drittel unterschritten
würden. Denn die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche
müssten das gesetzgeberische Schutzkonzept wahren; insoweit seien
ihre Befugnisse beschränkt. Hier habe der Gesetzgeber eine
Schutzpflicht zugunsten der Zeitarbeitnehmer erkannt und mit
seiner gesetzlichen Regelung konkretisiert. Die tarifliche
Abweichungsmöglichkeit sei an die Wertentscheidung des
Gesetzgebers zu binden. Das gesetzgeberische Schutzkonzept sei bei
Lohndifferenzen im Vergleich zur Einsatzbranche um mehr als
Drittel verlassen. Auch die EU-Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104/EG
lasse Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung der
Zeitarbeitnehmer mit vergleichbaren Arbeitnehmern des
Einsatzbetriebes nur eingeschränkt zu. Vorliegend sei Art. 5 Abs.
3 der Richtlinie einschlägig, der den Mitgliedsstaaten nur die
Möglichkeit eröffne, den Sozialpartnern die Kompetenz
einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des
Gesamtschutzes von Zeitarbeitnehmern den Grundsatz der
Gleichbehandlung modifizieren könnten. Erforderlich und möglich
sei daher eine entsprechende einschränkende richtlinienkonforme
Auslegung der Tariföffnungsklausel in § 8 Abs. 2 S. 1 AÜG, die
der Achtung des Gesamtschutzes im Sinne der Richtlinie Rechnung
trage. Wie weit die Tariföffnung in § 8 AÜG reiche, habe der
Gesetzgeber nicht selbst bestimmt, sondern die Interpretation der
Rechtsprechung überlassen. Der "Gesamtschutz" sei
jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn die fraglichen
Tarifverträge ausschließlich oder ganz überwiegend zu Lasten
der Zeitarbeitnehmer vom Gleichbehandlungsgrundsatz oder von
sonstigen gesetzlichen Regelungen abwichen, wie dies bei den
aktuellen Tarifverträgen in der Zeitarbeitsbranche in
(...)
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