Hauptgeschäftsführer
des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP)
Thomas Hetz
Ein optimistischer Blick nach vorn
Ein turbulentes Jahr. Anders lässt sich das Jahr 2016 für die
Zeitarbeitsbranche kaum betiteln. Was die Branche umtrieb, dürfte
wohl nicht nur Vertreter der Arbeitnehmerüberlassung in Atem
gehalten haben: die von der Bundesregierung verabschiedete „Novellierung“
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).
Im November des vergangenen Jahres legte das zuständige
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den ersten
Diskussionsoder Referentenentwurf zur Änderung des AÜG vor, der
es – gelinde gesagt – in sich hatte und weit über die im
Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen hinausschoss. Dieser
Entwurf begegnete schwerwiegenden rechtlichen Bedenken. Im Februar
dieses Jahres hat das BMAS dann eine überarbeitete Fassung
vorgelegt, die diverse Nachjustierungen enthielt. Diese wurde
schließlich vom Deutschen Bundestag am 21. Oktober nach zweiter
und dritter Lesung verabschiedet. Viele rechtliche Bedenken konnte
jedoch auch die überarbeitete Version nicht ausräumen.
Ich will hier gar nicht alle Punkte des neuen Gesetzes aufführen,
diese dürften mittlerweile bekannt sein. Unstrittig ist aber: Mit
der Einführung von Equal Pay werden Personaldienstleister und
Kundenunternehmen massiver Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Und dies
ganz unnötig, denn die Branche hatte schon längst vorgesorgt:
Mit dem Abschluss von Tarifverträgen und mit den ab 2012 zusammen
mit den Sozialpartnern eingeführten elf
Branchenzuschlagstarifverträgen in den wichtigsten
Einsatzbranchen der Zeitarbeit wurde ein Entlohnungssystem
entwickelt, das Zeitarbeitnehmer stufenweise an Equal Pay
heranführt. Beides sind eindeutige Signale einer funktionierenden
Tarifautonomie, die im Übrigen durch den Tarifabschluss mit den
DGB-Gewerkschaften erst kürzlich bestätigt wurde.
Nun jedoch bekommt es die Branche mit einer Neuerung zu tun, die
zur Herausforderung wird. Denn der Gesetzgeber hat es versäumt,
eine rechtssichere Definition vorzulegen, was Equal Pay eigentlich
genau umfassen soll. Im Begründungsteil des Gesetzes findet sich
folgende Passage: „Sämtliche auf den Lohnabrechnungen
vergleichbarer Stammarbeitnehmerinnen und Stammarbeitnehmer des
Entleihers ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile“
sollen zu Equal Pay gehören. Damit müssten jedoch auch
Sonderzahlungen wie Boni, vermögenswirksame Leistungen und sogar
Sachbezüge, die allerdings in Geld ausgeglichen werden können,
berücksichtigt werden. Nicht immer wird es möglich sein, Equal
Pay genau zu bestimmen, denn dafür muss das Kundenunternehmen
zunächst einmal den vergleichbaren Stammmitarbeiter und den
Umfang des Arbeitsentgelts ermitteln. Geschieht dies nicht
gerichtsfest, sind Klagen von Zeitarbeitnehmern vorprogrammiert,
die sich um die Frage drehen werden, ob tatsächlich Equal Pay
gezahlt wurde. Eine praktikable und rechtssichere Handhabung sieht
anders aus.
Was bedeutet das nun aber genau für die Branche? Grundsätzlich
muss dem Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten ununterbrochener
Tätigkeit im Kundenunternehmen Equal Pay gezahlt werden.
Abgewichen werden kann nur durch Branchenzuschlagstarifverträge,
die damit gesetzlich grundsätzlich anerkannt und gestärkt
werden. Unverhältnismäßig sind für mich jedoch die horrenden
Sanktionen, die bei bereits kleinsten Verstößen den Entzug der
zwingend benötigten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und
Geldbußen bis zu 500.000 Euro vorsehen. Diese sind aber weder an
Vorsatz oder Wiederholung gebunden und können im schlimmsten Fall
ein Berufsverbot nach sich ziehen. Mich würde es daher nicht
wundern, wenn diese Unsicherheiten zu verkürzten Einsätzen
führten.
Der zweite wichtige Eckpunkt der Gesetzesänderungen ist die
Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate
ununterbrochener Überlassung im selben Einsatzunternehmen.
Abweichungsmöglichkeiten bestehen nur durch Tarifvereinbarungen,
die allerdings lediglich die jeweilige Einsatzbranche treffen
darf, während dies den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit
verwehrt bleibt. Sanktionen wie Geldbußen und der Entzug der
AÜ-Erlaubnis kommen beim Überschreiten der 18 Monate auf die
Personaldienstleister zu, aber auch für Kundenunternehmen hat das
Gesetzespaket Folgen. Dem Einsatzunternehmen droht mit der Fiktion
eines Arbeitsverhältnisses die „Zwangsübernahme“ des
Zeitarbeitnehmers. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen,
dürfen dieser Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nur die
Zeitarbeitnehmer widersprechen.
So bleibt nur zu sagen, dass mit einer Höchstüberlassungsdauer
keiner Seite geholfen ist: Die Flexibilität der gesamten
deutschen Wirtschaft wird beschränkt. Es wird kaum mehr möglich
sein, Zeitarbeitnehmer für klassische Vertretungen wie die volle
Eltern- oder Pflegezeit einzusetzen, was die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf konterkariert. Und im höherqualifizierten
Bereich, wo Projekte oft länger als zwei Jahre dauern, wird es
mehr als eng. Angesichts der zumeist übertariflichen Entlohnung
haben sich diese hoch qualifizierten Zeitarbeitnehmer bewusst für
eine Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung entschieden.
Außerdem profitieren alle Zeitarbeitnehmer von längerfristigen
Einsätzen – vor allem finanziell durch die geplante Equal
Pay-Regelung und die bereits bestehenden Branchenzuschläge.
Gleichzeitig werden auch längerfristige
Qualifizierungsmaßnahmen, vor allem die, die auf einen
anerkannten Berufsabschluss abzielen, nahezu unmöglich gemacht.
Unwirtschaftlichen Investitionen bei nur kurzen Kundeneinsätzen
wird sich kaum ein Personaldienstleister aussetzen. Außerdem
setzen IHKn und Handwerkskammern entsprechende langjährige
Berufserfahrungen voraus, um Berufsabschlussprüfungen ohne
klassische duale Ausbildung abzunehmen. Mit den
Gesetzesänderungen werden Ansätze wie unser 3-Stufen-Modell, mit
dem Zeitarbeitskräfte ohne abgeschlossene Ausbildung an einen
anerkannten Berufsabschluss herangeführt werden, zunichte
gemacht. Es dürfte jedoch auch der Bundesregierung bekannt sein,
dass Geringqualifizierte das höchste Arbeitslosigkeitsrisiko
haben und deswegen Weiterbildungsmaßnahmen so immens wichtig
sind. Dem Schutz der Zeitarbeitskräfte dient eine
Höchstüberlassungsdauer jedenfalls nicht.
Was nun aber wird das kommende Jahr der Branche bringen? Ein
Zurück gibt es nicht, die Gesetzesänderungen greifen zum 1.
April 2017. Gehen wir mit optimistischem Blick ins neue Jahr, dass
die Branche auch diese Herausforderung meistern wird. So sollten
Kundenunternehmen künftig sehr genau darauf achten, welchen
Personaldienstleister sie aussuchen. Entscheidend ist vor allem,
dass dieser sich mit den gesetzlichen Regelungen bestens auskennt.
Zeitarbeitsunternehmen, die bislang in keinem Verband der
Personaldienstleister Mitglied sind, bleibt nur zu raten, sich das
dringend benötigte Know-how einzuholen, das nur die Verbände der
Zeitarbeit sicher gewährleisten können. Der BAP wird einen
Großteil seiner Kraft darauf verwenden, seinen Mitgliedern durch
eine Vielzahl an Veranstaltungen, schriftlichen Informationen und
vor allem seiner umfangreichen Telefonberatung, das notwendige
Werkzeug an die Hand zu geben, um für die operative Umsetzung
gerüstet zu sein. Für Zeitarbeitnehmer dagegen dürfte die
Branche an Attraktivität gewinnen, und zwar nicht zuletzt durch
die kürzlich vereinbarten Entgelte, die dank des neuen
Tarifabschlusses ab 2017 steigen werden. Und Personaldienstleister
und Kundenunternehmen müssen bald noch enger zusammenarbeiten als
ohnehin bereits.
Wirft man einen Blick auf die kommenden Herausforderungen in
Deutschland im nächsten Jahr, so rechnen führende Ökonomen mit
einem merklichen Dämpfer für die wirtschaftliche Entwicklung.
Was den Arbeitsmarkt betrifft, so blieb der Anteil der Zeitarbeit
von 2,2 Prozent an allen Erwerbstätigen seit einigen Jahren
nahezu konstant. Wie sich die in den Arbeitsmarkt einsteigenden
Geflüchteten auf diesen auswirken werden, wird die Zukunft
zeigen. Deshalb hat der BAP eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema ins
Leben gerufen, die sich gemeinsam mit der Bundesagentur für
Arbeit intensiv über Eingliederungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen auseinandersetzen wird.
Festzuhalten bleibt mir daher nur: Zeitarbeit ist unverzichtbar
für die Flexibilität der deutschen Wirtschaft – gerade in
Zeiten von demografischem Wandel, Digitalisierung und der
Integration der Geflüchteten. Daher kann ich nur eindrücklich an
die Gesetzgeber appellieren, die Branche endlich einmal zur Ruhe
kommen zu lassen und die Zeitarbeit nicht erneut dem Wahlkampf mit
unkalkulierbaren Ergebnissen im Zuge der Bundestagswahl 2017
auszusetzen.
Thomas Hetz
|
iGZ-Hauptgeschäftsführer
und Mitglied des iGZ-Bundesvorstandes
Werner Stolz
Hat das Jahr 2016 Ihre Erwartungen erfüllt? Was wird das Jahr
2017 für die Zeitarbeit bringen?
In einem Jahr, in dem eine überflüssige Reform des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beschlossen wurde, kann
man kaum davon sprechen, dass sich die eigenen Erwartungen
erfüllt haben. Dennoch können wir auf zahlreiche Einzelerfolge
zurückblicken, hinter denen wir uns nicht zu verstecken brauchen.
Erinnert man sich an den ersten Referentenentwurf, den das
Bundesarbeitsministerium im November 2015 vorlegte, können wir
sicherlich selbstbewusst sagen: Einige „Giftzähne“ für die
Zeitarbeitsbranche konnten gezogen werden. So ist
glücklicherweise etwa bei der Höchstüberlassungsdauer die
Unterbrechungszeit zwischen zwei Einsätzen von sechs auf drei
Monate reduziert worden. Beim Equal Pay wurden unsere vorhandenen
Branchenzuschlags- Tarifverträge durch eine Öffnungsklausel in
ihrer Bedeutung gestärkt: Wenn solche tariflichen Vereinbarungen
angewandt werden, muss die Entgeltgleichstellung erst nach 15
Monaten statt bereits nach zwölf Monaten erfolgen. Und letztlich
ist zu begrüßen, dass das neue AÜG erst zum 1. April 2017 in
Kraft treten wird und nicht schon zum Jahreswechsel. Das bringt
uns mehr Zeit zur Umstellung auf die neue Situation und zur
sachgerechten Anpassung der Geschäftsabläufe in den Unternehmen.
Insgesamt hat sich somit glücklicherweise wieder einmal das alte
Sprichwort bestätigt, dass kein Gesetz den Bundestag so
verlässt, wie es hineingekommen ist.
Doch trotz all dieser Teilerfolge können wir uns nicht
zurücklehnen und entspannt auf das Jahr 2017 warten. Noch gibt es
einige Unklarheiten beziehungsweise Auslegungsprobleme im neuen
AÜG, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes geklärt werden
müssen. Für uns als Verband besteht die Hauptherausforderung nun
darin, unsere fast 3.500 Mitgliedsunternehmen umfassend und
rechtssicher über die Einzelheiten der AÜG-Novelle zu
informieren. Derzeit reisen die Mitarbeiter unseres iGZ-Referates
Arbeitsund Tarifrecht durch ganz Deutschland, um unsere Mitglieder
vor Ort aufzuklären. Die Teilnahmezahlen zu diesen Treffen
brechen alle Rekorde, sodass wir uns mit dem lokalen Angebot auf
dem richtigen Weg sehen. Zusätzlich erarbeiten wir ein
umfangreiches Informationspaket, das im internen Bereich unserer
iGZ-Homepage exklusiv eingestellt wird.
Insgesamt wird man nach Abschuss des Gesetzgebungsverfahrens sagen
müssen: Ein echter Nutzen ist durch diese „Reform“ für
keinen der beteiligten Akteure im Dreiecksverhältnis wirklich
ersichtlich. Andererseits hätten die Regeln auch noch
restriktiver ausfallen können. Bleibt zu hoffen, dass die
Personaldienstleister in der nächsten Legislaturperiode von
erneuten Zumutungen durch den Bundestag verschont bleiben und
nicht schon wieder zum Spielball von politischen Interessenlagen
missbraucht werden. Denn mangelnde Planungssicherheit ist Gift
für jedes unternehmerische Handeln mit dem erforderlichen
Weitblick.
Für das Jahr 2017 erhoffen wir uns nun wieder ruhigere politische
Fahrwasser, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu
bewältigen: den Strukturwandel durch die fortschreitende
Digitalisierung aktiv begleiten, Erwerbsbiografien verstetigen,
Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gewährleisten,
Qualifizierungsmaßnahmen organisieren und vieles mehr.
Denn: Zeitarbeit hilft Wirtschaft und Arbeitsmarkt – allerdings
nur, wenn uns als Branche nicht zu große Steine in den Weg gelegt
werden!
Werner Stolz
|