Dr.
Alexander Bissels
Update CGZP: Zählt
"echter Aufwendungsersatz" doch als Entgelt?
Bislang entspricht es der ganz herrschenden Ansicht, dass bei der
Berechnung der Nachforderung der DRV wegen der Tarifunfähigkeit
der CGZP ein von einem Personaldienstleister gewährter
"echter Aufwendungsersatz", z.B. für Fahrt-,
Übernachtungs- und Verpflegungskosten, nicht berücksichtigt
wird. Abweichendes soll hingegen gelten, wenn es sich bei dem
"Aufwendungsersatz" um ein verschleiertes und damit
steuerpflichtiges Arbeitsentgelt handelt (BAG v. 13.03.2013 - 5
AZR 294/12; BSG v. 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R, Rn. 49). Ausgehend
davon, dass regelmäßig ein echter Aufwendungsersatz gewährt
wurde, konnte der Personaldienstleister diesen bei der
Nachberechnung nicht als gezahltes "Entgelt" verbuchen,
so dass sich die Nachforderung der DRV erhöhte. Vor diesem
Hintergrund ist ein Beschluss des LSG Niedersachsen- Bremen von
besonderem Interesse, da das Gericht im Rahmen einer
CGZP-Entscheidung – soweit bekannt erstmals – von dem obigen
Grundsatz abweicht und einen gewährten Aufwendungsersatz
(unabhängig von der steuerlichen Bewertung) zugunsten des
Zeitarbeitsunternehmens berücksichtigt (Urt. v. 15.06.2016 - L 2
R 148/15).
Entscheidung
des LSG Niedersachsen- Bremen
Im Leitsatz formuliert das Gericht, dass ein der Beitragspflicht
unterliegender Anspruch des Zeitarbeitnehmers auf weitere
Entgeltzahlungen nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG nur in Betracht
komme, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert der von Seiten des
Zeitarbeitsunternehmens erbrachten Leistungen hinter denjenigen
Leistungen zurückbleibe, die der Arbeitnehmer bei einer
Direktanstellung im entleihenden Betrieb zu erwarten gehabt
hätte. In diesem Zusammenhang sei auch der Aufwendungsersatz zu
berücksichtigen.
Dies begründet das LSG Niedersachsen- Bremen wie folgt:
Mit § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG (equal pay) wolle der Gesetzgeber
sicherstellen, dass der Zeitarbeitnehmer im Verhältnis zu den im
entleihenden Betrieb tätigen Stammbeschäftigten nicht schlechter
stehe. Damit habe auch der nationale Gesetzgeber im Ergebnis –
entsprechend der europarechtlichen Vorgaben – ein
Gesamtschutzniveau für Zeitarbeitnehmer angestrebt. Dieser solle
wirtschaftlich gesehen nicht schlechter entlohnt werden als ein
direkt im entleihenden Betrieb beschäftigter vergleichbarer
Arbeitnehmer.
Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG sei national
zu bestimmen und weit auszulegen, wie die beispielhafte
Aufzählung in der Gesetzesbegründung belege (BTDrucksache 15/25,
S. 38). Zu diesem zähle nicht nur das laufende Arbeitsentgelt,
sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses
gewährt werde bzw. aufgrund gesetzlicher
Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden müsse. Nach der
Rechtsprechung des BSG gehörten zum „Arbeitsentgelt“ gem. §
14 Abs. 1 S. 1 SGB IV auch Fahrvergünstigungen, wie etwa in Form
von Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen (BSG v. 17.12.2014 - B
12 KR 20/12 R).
Gerade bei tatsächlich mit einer Arbeitsaufnahme (notwendig)
einhergehenden Aufwendungen sei es für den betroffenen
Arbeitnehmer von großer wirtschaftlicher Relevanz, ob er diese
selbst tragen müsse oder ob ihm sein Arbeitgeber diese erstatte.
Es seien Konstellationen denkbar, in denen die Aufwendungen sogar
den Gesamtnettolohn überstiegen; die Arbeitsaufnahme wäre für
den Arbeitnehmer wirtschaftlich sinnlos, soweit er die genannten
Aufwendungen selbst zu tragen habe. Ganz anders stelle sich die
wirtschaftliche Lage aber für den Arbeitnehmer dar, wenn die
Aufwendungen vom Arbeitgeber übernommen würden. Dann bliebe er
von den zusätzlichen, mit der vorübergehenden Ausübung einer
befristeten auswärtigen Tätigkeit verbundenen Aufwendungen
verschont, er könne über den sich nach allgemeinen Grundsätzen
ergebenden Nettolohn für seinen allgemeinen Lebensunterhalt nach
eigenem Belieben verfügen. Er stehe sich wirtschaftlich gesehen
ggf. auch dann erheblich besser, wenn mit dem Ersatz der genannten
Aufwendungen ein etwas geringerer Stundenlohn einhergehe.
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