Dr.
Alexander Bissels
Wirksamkeit der
DGB-Tarifverträge? Gericht meldet Zweifel an!
In Zusammenhang mit den von den DGB-Gewerkschaften und BAP bzw.
BZA sowie iGZ abgeschlossenen Tarifwerken wird z.T. vertreten,
dass die betreffenden Arbeitnehmervereinigungen nicht tariffähig
und/oder tarifzuständig sein sollen (mit der Folge, dass die
Tarifverträge unwirksam sind und Zeitarbeitnehmer sowie die
Rentenversicherungsträger mangels Abweichung vom equal pay-
Grundsatz entsprechende Nachforderungen gegenüber dem
Personaldienstleister geltend machen können). Zuletzt hat sich
das LAG Nürnberg mit dieser Frage befasst (Beschl. v. 11.10.2013
- 3 Sa 699/10).
Entscheidung des LAG Nürnberg
Die 3. Kammer hat im Ergebnis einen equal pay-Rechtsstreit
(Forderung des Klägers auf Nachzahlung i.H.v. 117.575,36 €
brutto) gem. § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt, da das Gericht –
laut Tenor – Zweifel an Tariffähigkeit der
"Tarifgemeinschaft BZA-DGB für den Abschluss des
Tarifvertrages am 22.07.2003" hat. Zu dieser Frage kann nun
ein gesondertes Beschlussverfahren eingeleitet werden.
Erstaunlich ist die Begründung des LAG Nürnberg. Dort heißt es
zunächst, dass der Rechtsstreit bezüglich der
Vergütungsansprüche von der Bejahung der Tarifzuständigkeit der
Tarifgemeinschaft BZA abhänge. Bei der Zeitarbeitsbranche handele
es sich – so das Gericht – um einen eigenen Wirtschaftszweig.
Dies ergebe sich bereits aus dem AÜG. Bei Abschluss der
Tarifverträge vom 22.07.2003 habe keine an der Tarifgemeinschaft
beteiligten Einzelgewerkschaften in ihrer Satzung eine
ausdrücklich definierte sachliche Zuständigkeit für den
Wirtschaftszweig Zeitarbeit bzw. gewerbliche
Arbeitnehmerüberlassung in ihrem Organisationsbereich festgelegt.
Tarifverträge, die Gewerkschaften außerhalb ihrer
Tarifzuständigkeit abschlössen, seien nach der ständigen
Rechtsprechung des BAG nichtig. Die Tarifzuständigkeit richte
sich grundsätzlich nach dem in der Satzung des Verbandes
festgelegten Organisationsbereich. Da sich die DGB-Gewerkschaften
für die Zeitarbeitsbranche in ihren Satzungen nicht für
zuständig erklärt hätten, fehle ihnen die für den Abschluss
des betreffenden Tarifvertrages erforderliche Tarifzuständigkeit.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass für ver.di eine
Tarifzuständigkeit für die Zeitarbeitsbranche bestehe, ändere
dies an der Unwirksamkeit des mit dem BZA abgeschlossenen
Tarifvertrages nichts, da hier ein mehrgliedriger Tarifvertrag in
Form eines Einheitstarifvertrages vorliege. Im Regelfall sei bei
mehrgliedrigen Tarifverträgen vom Abschluss selbständiger
Tarifverträge auszugehen. Im vorliegenden Fall hätten die
DGB-Gewerkschaften sich aber als Tarifgemeinschaft
zusammengeschlossen und damit einen einheitlichen Tarifvertrag
vereinbart. Diese Annahme werde bekräftigt durch die
Verbundenheit der unterzeichnenden Gewerkschaften im DGB und dem
Fehlen eines eigenständigen Kündigungsrechts. Ein
Einheitstarifvertrag sei aber insgesamt nichtig, wenn bereits
einer der daran beteiligten Vereinigungen die für die Wirksamkeit
eines Tarifvertrages erforderliche Tariffähigkeit oder
Tarifzuständigkeit fehle.
In der Begründung des LAG Nürnberg heißt es dann weiter: Soweit
die Beklagte meine, dass das BAG in der Entscheidung vom
14.12.2010 die Ansicht vertreten habe, dass die DGB-Gewerkschaften
im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehandelt hätten, sei
festzustellen, dass es im vorliegenden Fall zur Beurteilung der
Tariffähigkeit auf den Zeitpunkt des Tarifabschlusses vom
22.07.2003 ankomme. Im Übrigen wäre der Manteltarifvertrag für
Zeitarbeit im Jahre 2003 nur dann wirksam abgeschlossen worden,
wenn alle unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des DGB
aufgrund ihrer damaligen Satzung zum Abschluss eines
Tarifvertrages für Zeitarbeitnehmer zuständig gewesen wären.
Dies habe die Beklagte nicht einmal vorgetragen, geschweige denn
unter Beweis gestellt.
Im Ergebnis gelte daher zusammenfassend: Die Tariffähigkeit oder
Tarifzuständigkeit sei zweifelhaft. Dies sei vor allem deshalb
der Fall, weil die Beklagte die Nichtigkeit des Tarifvertrages
bestreite. Die Aussetzung sei aber auch deswegen erforderlich, da
das LAG selbst Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses
Tarifvertrages habe.
Bewertung
Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist – um es so zu formulieren
– etwas "skurril". Dies liegt bereits daran, dass im
Tenor von einer Tarifgemeinschaft BZA/DGB ausgegangen wird, die
insoweit nicht besteht und auch nicht bestanden hat.
Augenscheinlich meint das Gericht die DGB-Tarifgemeinschaft
Zeitarbeit bzw. die in dieser zusammengeschlossenen
Gewerkschaften. Merkwürdig ist auch, dass das LAG Nürnberg im
Tenor an der Tariffähigkeit zweifelt und sich die Begründung des
Beschlusses im Wesentlichen zur (vermeintlich) fehlenden
Tarifzuständigkeit verhält. Zudem mag nicht recht einleuchten,
warum die Tariffähigkeit am 20.07.2003 bezweifelt wird, obwohl es
in der Klage inhaltlich um equal pay-Ansprüche aus Oktober 2006
bis Juni 2009 geht; in diesem Zeitraum galten schon die
BZA/DGB-Tarifverträge vom 22.12.2004 und 30.05.2006. Davon geht
auch das Gericht nach dem Tatbestand aus.
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