Dr.
Alexander Bissels
Zeitarbeit: (Nicht nur)
klärende Worte aus Erfurt zu Fragen des Anspruchs auf equal pay
Inzwischen hat das BAG
festgestellt, dass die CGZP seit ihrer Gründung nicht tariffähig
war (vgl. Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10; v. 22.05.2012 - 1
ABN 27/12; v. 23.05.2012 – 1 AZB 67/11; v. 23.05.2012 - 1 AZB
58/11; dazu: Bissels, BB 2012, 1471). Nunmehr sind auch die
individualrechtlichen Konsequenzen für die Anwender der von der
Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge mit Blick auf die
von Zeitarbeitnehmern eingeklagten equal pay-Ansprüche in
insgesamt fünf Urteilen vom 13.03.2013 höchstrichterlich
geklärt worden. Nachfolgend sollen die sich aus der
„Leitentscheidung“ des 5. Senats ergebenden Kernaussagen
dargestellt werden, deren Gründe jüngst im Volltext
veröffentlicht wurden (Urt. v. 13.03.2013 - 5 AZR 954/11).
Sachverhalt
Die klagende Zeitarbeitnehmerin war von Mai 2009 bis Juni 2010 bei
dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. In dem
Formulararbeitsvertrag aus April 2009 sind die zwischen dem AMP
und der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils
gültigen Fassung in Bezug genommen. Die Vergütung ist zum 21.
Kalendertag des folgenden Monats fällig. Der Arbeitsvertrag sieht
zudem eine zweistufige Ausschlussfrist vor, die auf der ersten
Stufe wie folgt formuliert ist:
„Die Parteien vereinbaren hiermit ausdrücklich
einzelvertraglich unabhängig von der Geltung eines Tarifvertrages
und der einzelvertraglichen Bezugnahme eines Tarifvertrages im
Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses Folgendes: Ansprüche der
Vertragsparteien aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit
dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen,
wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber
der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. S.
1 gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung
gestützt werden.“
Im April 2010 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung
ab, durch die die Verweisungsklausel dahingehend geändert wurde,
dass rückwirkend zum 01.01.2010 die zwischen dem AMP und der CGZP
sowie einigen christlichen Gewerkschaften (CGM, DHV, BIGD, ALB und
medsonet) geschlossenen Tarifverträge (AMP/CGB-TV‘e) in ihrer
jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung
finden sollten. Erst im März 2011 klagte die Zeitarbeitnehmerin
auf die Differenz zwischen der von dem Personaldienstleister
erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das der Kunde im
streitgegenständlichen Zeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern
gewährt hat (equal pay). Das beklagte Unternehmen beruft sich
u.a. auf die vertragliche Ausschlussfristenregelung, nach der die
geltend gemachten Ansprüche verfallen seien.
Das BAG sieht die Klage – im Gegensatz zu den Vorinstanzen –
zwar im Ergebnis als unbegründet an. Der Personaldienstleister
sei aber gem. § 10 Abs. 4 AÜG grundsätzlich verpflichtet, der
Klägerin für die Zeit der Überlassung das gleiche
Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es der Einsatzbetrieb seinen
Stammarbeitnehmern gewähre.
Unwirksamkeit der Tarifverträge der CGZP
Das Gebot der Gleichbehandlung werde – so der 5. Senat - nicht
durch die Bezugnahmeklausel in dem Arbeitsvertrag aus dem Jahr
2009 auf die Tarifverträge der CGZP ausgeschlossen. Die
Tarifgemeinschaft habe aufgrund der inzwischen höchstrichterlich
festgestellten Tarifunfähigkeit keine wirksamen Tarifverträge
abschließen können. Diese seien von Anfang an unwirksam.
Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag
Aus der Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag, die in Anlehnung an
die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft und des fehlerhaften
Arbeitsverhältnisses von der Unwirksamkeit vollzogener
Tarifverträge ex nunc ausgehe, lasse sich keine abweichende
Bewertung ableiten. Es gehe vorliegend nicht um die
Rückabwicklung vollzogener Tarifverträge, sondern um die
Rechtsfolge des Scheiterns einer vom Gesetz nach §§ 9 Nr. 2, 10
Abs. 4 AÜG eröffneten Gestaltungsmöglichkeit. Dabei müsse
nichts rückabgewickelt werden. Der Arbeitnehmer behalte die
bezogene Vergütung aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung
und erwerbe darüber hinaus nach § 10 Abs. 4 AÜG einen Anspruch
auf die Differenz zu dem Entgelt, das er erhalten hätte, wenn das
Gebot der Gleichbehandlung von Anfang an beachtet worden wäre.
Dazu räume § 13 AÜG dem Zeitarbeitnehmer einen
Auskunftsanspruch gegenüber dem Kunden des Arbeitgebers ein.
Vertrauensschutz
Auch ein etwaiges Vertrauen des Personaldienstleisters in die
Tariffähigkeit der CGZP sei nicht geschützt. Die Entscheidungen
des BAG zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP seien nicht mit
einer Rechtsprechungsänderung verbunden gewesen. Weder das BAG
noch Instanzgerichte hätten in dem nach § 97 ArbGG vorgesehenen
Verfahren jemals die Tariffähigkeit der CGZP festgestellt. Zwar
habe das BAG bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit der Vergütung
eines Zeitarbeitnehmers in einem anderen Verfahren in der
Vergangenheit einen von der CGZP abgeschlossenen
Entgelttarifvertrag herangezogen (vgl. BAG v. 24.03.2004 - 5 AZR
303/03); die Feststellung von deren Tariffähigkeit sei damit aber
nicht verbunden gewesen.
Die bloße Erwartung, das BAG werde eine bislang nicht geklärte
Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne, etwa entsprechend einer im
Schrifttum geäußerten Auffassung, entscheiden, vermöge einen
Vertrauenstatbestand nicht zu begründen. Ein dennoch von
Personaldienstleistern möglicherweise und vielleicht aufgrund des
Verhaltens der Bundesagentur für Arbeit oder sonstiger Stellen
entwickeltes Vertrauen in die Tariffähigkeit der CGZP sei nicht
geschützt. Der Personaldienstleister weise vorliegend sogar
selbst darauf hin, dass die Tariffähigkeit der CGZP bereits nach
deren ersten Tarifvertragsabschlüssen im Jahre 2003 in Frage
gestellt und öffentlich diskutiert worden sei. Wenn ein
Zeitarbeitsunternehmen gleichwohl zur Vermeidung einer
Gleichbehandlung der Zeitarbeitnehmer von der CGZP abgeschlossenen
Tarifverträge arbeitsvertraglich vereinbart habe, bevor die dazu
berufenen Arbeitsgerichte über deren Tariffähigkeit befunden
hätten, sei dieses ein Risiko eingegangen, das sich letztlich
durch die rechtskräftigen Entscheidungen zur fehlenden
Tariffähigkeit der CGZP realisiert habe.
Bezugnahme auf AMP/CGB-TV‘e
Durch den im Jahr 2010 abgeschlossenen Arbeitsvertrag sei der
Personaldienstleister nicht vom Gebot der Gleichbehandlung
entbunden worden.
Die Verweisung auf die mehrgliedrigen AMP/CGB-TV’e sei aufgrund
einer AGB-rechtlichen Intransparenz unwirksam. Bei einer
Bezugnahmeklausel, durch die mehrere eigenständige tarifliche
Regelungswerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur
Anwendung gebracht würden, bedürfe es zur Gewährleistung einer
hinreichenden Bestimmbarkeit einer Kollisionsregel, der sich
entnehmen lasse, welcher der mehreren in Bezug genommenen
Tarifverträge bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang
haben solle. Anderenfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt
bestimmen, welches der in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke
sich jeweils durchsetzen und gelten solle. Fehle in der
Bezugnahmeklausel eine entsprechende Kollisionsregelung, bestehe
die Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen dieser Unklarheit seine
Rechte nicht wahrnehme. Gerade dies wolle das Bestimmtheitsgebot
verhindern.
Die streitgegenständliche Klausel enthalte keine entsprechende
Kollisionsregelung. Der Zeitarbeitnehmer könne aus ihr nicht
ersehen, welches der mehreren in Bezug genommenen tariflichen
Regelwerke bei sich widersprechenden Bestimmungen den Vorrang
habe. Er könne außerdem anhand der Klausel und der im Betrieb
auszulegenden Tarifverträge nicht ermitteln, welches der in Bezug
genommenen tariflichen Regelwerke bei einer bestimmten
Überlassung eine Vereinbarung „im Geltungsbereich“ eines
Tarifvertrags i.S.v. § 9 Nr. 2 AÜG sei. Denn die AMP/CGB-TV’e
enthielten neben dem räumlichen, fachlichen und persönlichen
einen „organisatorischen“ Geltungsbereich, der sich nur aus
den Satzungen der Arbeitnehmervereinigungen sowie bei der CGZP aus
der Kenntnis von deren Mitarbeiterbestand erschließen lasse.
Unerheblich sei, dass bei der Vereinbarung der Klausel die
tariflichen Regelwerke noch inhaltsgleich gewesen seien. Der
Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsschluss für die Dauer des
Arbeitsverhältnisses erkennen können, was ggf. „auf ihn
zukomme“. Er könne weder auf eine ständige Beobachtung der
Tariflandschaft im Arbeitnehmerüberlassungsbereich noch zu
Spekulationen darüber verpflichtet werden, welches von mehreren
tariflichen Regelwerken zu einem bestimmten Zeitpunkt auf sein
Arbeitsverhältnis Anwendung finden solle.
Verfallfrist
Der equal pay-Anspruch ist jedoch nach Ansicht des BAG
verfallen.
Dabei könne sich das beklagte Zeitarbeitsunternehmen allerdings
nicht auf die Verfallfristen aus den unwirksamen Tarifverträgen
der CGZP oder den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis
einbezogenen AMP/CGB-TV’e berufen. Zwar seien die
Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich frei, ein
kollektivrechtliches Regelwerk in Bezug zu nehmen, ohne dass es
auf dessen normative Wirksamkeit ankomme. Eine derartige Abrede
scheide jedoch aus, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass nur
ein wirksamer Tarifvertrag vereinbart hätte werden sollen. Dies
sei vorliegend der Fall. Nur mit einer Bezugnahmeklausel auf einen
wirksamen Tarifvertrag könne das beklagte Zeitarbeitsunternehmen
den Zweck der Bezugnahme – nämlich das Abweichen vom Gebot der
Gleichbehandlung – erreichen.
Allerdings habe die klagende Zeitarbeitnehmerin die
arbeitsvertraglich vereinbarte erste Stufe der Ausschlussfrist
nicht beachtet. Diese Klausel enthalte - unabhängig von der
Inbezugnahme tariflicher Vorschriften - eine eigenständige
Regelung. Diese beziehe sich auch auf den klageweise geltend
gemachten equal pay-Anspruch. Die Regelung (...)
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