Dr.
Alexander Bissels
Tarifwechsel
durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers
Nicht erst nachdem das BAG am 14.12.2010 festgestellt hatte,
dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist (Az. 1 ABR
19/10), haben zahlreiche Personaldienstleister, die die von der
Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge angewendet haben,
versucht, die Arbeitsverträge mit den von ihnen beschäftigten
Zeitarbeitnehmern auf einen neuen Tarif „umzustellen“. Dies
bedeutet nichts anderes, als dass das jeweilige Arbeitsverhältnis
zukünftig nicht mehr dem tariflichen Regime der CGZP bzw. der
CGB-Gewerkschaften, sondern der DGB-Tarifgemeinschaft (BZA/iGZ)
unterstellt werden sollte.
Dass eine derartige „Umstellung“ mit erheblichen
arbeitsrechtlichen Herausforderungen verbunden sein kann, wenn der
Arbeitnehmer der Anwendung eines anderen Tarifvertrages nicht
zustimmt, verdeutlicht eine jüngst veröffentlichte Entscheidung
des LAG Rheinland-Pfalz. Die 9. Kammer musste sich dabei mit der
Frage befassen, ob ein Personaldienstleister durch eine einseitige
Erklärung einen Tarifwechsel herbeiführen kann (Urt. v.
02.03.2012 – 9 Sa 627/11).
Was ist passiert?
In dem mit dem Zeitarbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag aus
dem Jahr 2005 wurden die zwischen dem INZ und der CGZP
vereinbarten Tarifverträge in Bezug genommen. Zudem war dort
folgende Klausel vorgesehen:
„Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung
gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils
für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen
für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen
wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere
bei einer Fusion der INZ. In diesem Fall treten die von diesem
anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge
hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die
Stelle der vorgenannten Tarifverträge.“
In einer Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 2010 wurden die jeweils
gültigen Tarifverträge des AMP und der Einzelgewerkschaften des
CGB für anwendbar erklärt. Anfang Juni 2011 teilte der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schließlich schriftlich mit, dass
nunmehr ab dem 01.05.2011 die zwischen dem BZA und der
DGB-Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge gelten
sollen. Mit Schreiben vom 20.06.2011 sprach der
Personaldienstleister eine (vorsorgliche) Änderungskündigung
aus. Darin hieß es:
"Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis zu
geänderten Bedingungen fortzusetzen. Hierbei finden künftig
durch einzelvertragliche Inbezugnahme die zwischen dem BZA und der
DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit geschlossenen Tarifverträge in
der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus
Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und
Entgelttarifvertrag Anwendung auf unser Arbeitsverhältnis.
Hierbei erfolgt eine Eingruppierung nach Maßgabe des
Entgeltrahmentarifvertrages in die Entgeltgruppe E 4. Zur Wahrung
des sozialen Besitzstands wird eine etwaige Differenz zu Ihrem
bisherigen Lohn über die Zahlung einer Zulage ausgeglichen.“
Der Arbeitnehmer nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt
der sozialen Rechtfertigung an und erhob Klage. Das LAG
Rheinland-Pfalz bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und
stellte fest, dass die Änderungskündigung unwirksam ist.
Unwirksamkeit des Änderungsvorbehaltes
Die Klage sei nicht bereits deshalb abzuweisen, da sich die
Änderung der Arbeitsbedingungen bereits aufgrund anderer
Umstände ergebe (sog. überflüssige Änderungskündigung). Der
Arbeitgeber könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf den
vertraglichen Vorbehalt, die anwendbaren Tarifverträge durch eine
einseitige Erklärung auszuwechseln, berufen. Diese Klausel sei
gem. § 304 Nr. 4 BGB unwirksam. Durch die Vertragsgestaltung
werde nicht nur vom Grundsatz „pacta sunt servanda“, sondern
auch vom Inhaltsschutz nach §§ 2, 1 KschG abgewichen. Der
Änderungsvorbehalt sei dem Arbeitnehmer nicht zumutbar. Dies
folge nicht bereits daraus, dass die Klausel Voraussetzungen und
Umfang der Leistungsänderung völlig unbestimmt lasse und diese
ohne Grund ermögliche.
Unwirksamkeit der Änderungskündigung
Der Arbeitgeber habe zudem keine Gründe vorgetragen, die die
Änderungskündigung sozial rechtfertigen könnten. Dass der
Arbeitnehmer (...)
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