IAT-Studie
untersucht erstmals Zeitarbeit in der Pflege
Auch
Krankenhäuser, Altenheime und mobile Pflegedienste
beschäftigen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer. Deren
Zahl ist derzeit noch relativ gering. Seit 2004 hat sie sich
jedoch verfünffacht. Die steigende Nachfrage ist auch ein
Indikator für eine wachsende Personalknappheit im Pflegebereich
zeigt eine neue, von der Hans- Böckler-Stiftung geförderte
Untersuchung des Instituts Arbeit und Technik (IAT): Nachdem
Einrichtungen tausende feste Arbeitsplätze abgebaut und
Ausbildungsmöglichkeiten eingeschränkt haben, sind sie
zunehmend auf Zeitarbeitskräfte angewiesen.
Allein
die deutschen Allgemeinkrankenhäuser haben zwischen 1996 und
2006 rund 46.000 Pflege-Vollzeitstellen gestrichen - obwohl der
Arbeitsaufwand pro Patient gestiegen und die Patientenzahl etwa
gleich geblieben ist. Die Ausbildungszahlen in Kranken- und
Altenpflege gehen zurück oder stagnieren. Dabei dürfte der
Bedarf an qualifizierten Pflegekräften in Zukunft erheblich
steigen.
Wissenschaftler
erwarten einen Beschäftigungsgewinn von bis zu einer Million
Arbeitsplätzen im Pflegebereich bis 2025.
Die
IAT-Forscher werteten für ihre explorative Studie die
Stellenanzeigen großer Verleihunternehmen aus und führten
Experteninterviews mit Vertretern von Pflegeeinrichtungen,
Zeitarbeitsfirmen, mit Personalräten und Beschäftigten.
Zentrale Ergebnisse:
Steigender
Bedarf:
Derzeit,
so das IAT, sind gut 19.000 Leiharbeitskräfte in
Gesundheitsberufen beschäftigt, ein großer Teil davon in der
Pflege. Das sind über fünfmal mehr als 2004. Und die Autoren
der Studie rechnen mit einer weiteren Zunahme. Die absolute Zahl
der Leihpflegerinnen - fast 80 Prozent sind Frauen - ist
gemessen an den rund 1,3 Millionen Pflegekräften oder den
600.000 Leiharbeitnehmern allerdings noch relativ niedrig.
Qualifizierte
Kräfte:
Während
Industrie und andere Dienstleistungsbranchen oft auf
Zeitarbeitnehmer ohne spezielle Qualifikation zurückgreifen,
spielt die richtige Ausbildung im Pflegebereich eine große
Rolle. Die Auswertung der Stellenanzeigen zeigt: Nur etwa 13
Prozent der Ausschreibungen richteten sich an Personen mit
Helfer-Qualifikation, die übrigen an Fachkräfte.
Die
Motive der Entleihbetriebe:
Plötzliche
Personalausfälle überbrücken. In den Einrichtungen spielt oft
die sehr dünne Personaldecke eine entscheidende Rolle für den
Einsatz von Leiharbeitern. Denn schon einzelne
krankheitsbedingte Ausfälle bringen die Personalplaner
regelmäßig in Bedrängnis. Häufig bleibt ihnen nur, auf
Beschäftigte anderer Stationen zurückzugreifen, und wenn auch
das nicht möglich ist, sind Leiharbeitskräfte die letzte
Möglichkeit. In einigen Einrichtungen geht der Bedarf
allerdings über solche kurzfristigen Notfallmaßnahmen hinaus:
Manchmal werden Leiharbeitnehmer eingesetzt, damit das
Stammpersonal überhaupt dazu kommt, Urlaub zu nehmen oder
Überstunden abzubauen.
Motiv
zwei: Kosten sparen. Aufwändige Personalsuche mit
Stellenanzeigen und Bewerbungsgesprächen entfällt durch die
Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen. Wer sich bewährt, kann
später immer noch fest eingestellt werden. Zwar sind die
Löhne, die Zeitarbeitsfirmen Kranken- oder Altenpflegerinnen
zahlen, zumindest bei Berufsanfängern nicht wesentlich
niedriger als reguläre Tariflöhne. Trotzdem sind
Leiharbeitnehmer oft billiger, weil sie nur für die
tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt werden müssen, nicht
aber bei Krankheit oder wenn gerade kein Bedarf besteht. Für
Einrichtungen, die die Auflage haben, beim Personal zu sparen,
ist es zudem manchmal günstig, Leiharbeitskräfte einzusetzen,
weil die Ausgaben dafür nicht unter Personalkosten verbucht
werden. Vereinzelt gründeten Kliniken eigene Zeitarbeitsfirmen,
in denen sie ihre Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen
weiterbeschäftigen, so die IAT-Forscher. In einigen Fällen
wurden Zeitarbeitskräfte auch als Streikbrecher genutzt.
Motive
der Leiharbeitnehmerinnen:
Schneller
Wiedereinstieg in den Beruf, Erfahrungen sammeln. Das sind der
Untersuchung zufolge zwei typische Motive für Pflegerinnen, die
bei Zeitarbeitsfirmen anheuern. Wer länger arbeitslos war oder
sich einen Überblick über die Arbeitsumstände in
verschiedenen Einrichtungen verschaffen möchte, kann per
Zeitarbeit relativ einfach testen, ob ein bestimmter Arbeitgeber
auch längerfristig in Frage kommt. Zudem bewerben sich manche
bewusst bei Zeitarbeitsfirmen, weil sie nur eine bestimmte Phase
ohne Einkommen überbrücken wollen oder hoffen, dass sie ihre
eigenen Flexibilitätswünsche als Leiharbeitnehmer besser
umsetzen können. Ob Letzteres tatsächlich funktioniert stellen
die Wissenschaftler allerdings infrage.
Zeitarbeit
in der Pflege, fasst das IAT zusammen, sie als Symptom einer
unzureichenden Ausstattung mit Planstelen für qualifizierte
Fachkräfte zu betrachten. Hinzu kämen die fehlenden
gesellschaftlichen Anstrengungen zur Nachwuchssicherung.
(Hans-Böckler-Stiftung)
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